MÜNSTER Ravensburg-Weißenau: Eine völlig deplatzierte "Perle" mit dunkler Vergangenheit und Geld, das Krankenhäusern fehlt ...
Von Stefan Weinert
Das ist für Katholiken und der von ihnen geprägten deutschen Gesellschaft etwas Besonderes, obwohl sich "Münster" von dem Altgriechischen "monasterion" und Lateinischen "monasterium" ableitet, was nichts anderes als KLOSTER heißt. Ein Münster war also eine ganz normale Kirche, die Teil eines Klosters oder Stifts war. Erst ab dem 13. Jahrhundert nahm das Wort die allgemeinere Bedeutung von „Großkirche“ an. Die Bezeichnung „Münster“ ist bis heute eine hergebrachte Benennung für bestimmte Kirchen; sie kann auch durch den zuständigen Bischof verliehen werden.
Bei dem gestrigen Einweihungsgottesdienst, einem katholischen Pontifikalamt, das nur Bischöfen oder anderen Würdenträgern zu feiern zusteht, war auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann zugegen. Laut einem Online-Bericht der "Schwäbischen Zeitung" soll Kretschmann folgendes vom Altarraum aus zum Kirchen- und Wähler-Volk gesagt haben: (Markierungen von mir)
„Weissenau ist eine echte Perle auf der oberschwäbischen Barockstraße. Mit der Säkularisation ist auch die Baulast auf das Land übergegangen. Aber es ist ein süßes Joch. Und das Geld [gemeint ist: für die Innensanierung des "Münsters"] geben wir schon gerne aus.“
Die Klosterkirche und ab jetzt "Münster", hat eine lange, sehr lange Geschichte. Das ehemalige Konventgebäude des Klosters wurde ab 1888/1892 zu einer Staatlichen Irrenanstalt (Heilanstalt) umgebaut. Während des „Dritten Reiches“ wurde die staatliche Anstalt, Württembergs Zwischenanstalt für Patienten und Heimbewohner aus Göppingen, Rottenmünster und Winnental. Im Rahmen der „Aktion T4“ des Naziregimes, gesteuert für Ravensburg von der Nazizentrale in der Gartenstrasse 32 (braune Villa) aus, wurden im Jahr 1940 insgesamt 691 Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder durch die sogenannten „Grauen Busse“ der Gemeinnützigen (!) Krankentransport GmbH zur Vernichtung in die Tötungsanstalt Schloss Grafeneck transportiert. Während dieser Zeit wurden dort auch Insassen aus politischen Gründen eingewiesen. Darunter Theodor Roller.
Vielleicht wird und wurde dies ja am gestrigen Sonntag ausgeblendet, weil ja schon die Grauen Busse (einer von ihnen) vor dem heutigen ZFP steht und damit die Schuld der Kirche gesühnt ist. Doch die "Grauen Busse" haben nichts mit der Verantwortung der Kirche für das Grauen von 1933 bis 45 zu tun, sondern stammen von zwei weltlichen Künstlern im Rahmen eines weltlichen Wettbewerbs.
Wo war der Widerstand der katholischen Kirche Ravensburgs und Weißenaus, respektive ihrer Gemeindemitglieder, im Jahre 1940 gegen diese mörderische und menschenverachtende Aktion? Der mutige Rottenburger Bischof Sproll, der sich offen gegen die Nazis stellte, wurde bereits am 23. Juli 1938 seiner Diözese verwiesen, in die er erst 1945 zurückkehren konnte. Das "Münster" Weißenau - eine Perle? Ganz gewiss nicht.
Am selben Tag, nämlich gestern, gab es vor dem Brandenburger Tor in Berlin eine Großveranstaltung aufgrund der aktuellen Ereignisse im Nahen Osten und ihrem großen politischen und religiösen und tödlichen Kon-text und Ko-text einschließlich dem Holocaust und der Euthanasie, der Schuld und der Verantwortung von deutschem Boden aus. Welch ein Kontrast.
Und mitten drin die gute und - wenn auch traurige und doch - heilsame Kolumne von Wolfram Frommelt in derselben Ausgabe der "Schwäbischen Zeitung", über den Hitler-Attentäter Georg Elser, der im Alleingang versucht hatte, Euthanasie, T4 und den Holocaust zu verhindern. 13 Minuten zu spät ging seine Bombe hoch. Über diese "13 Minuten" - so schreib Frommlet - haben die beiden Ravensburger Musiker Micha Moravek und Schauspieler Bernd Wengert zu einem nachdenklichen Bühnenstück verarbeitet.
Was und wer nun ist und sind der/die Fremdkörper in dieser Gemengelage? Für mich sind es jedoch gleich drei. Nämlich die Erhebung einer Klosterkirche mit Vergangenheit zur "Münster-Perle"; dann auch noch an diesem Tag, wo MP Kretschmann besser am Brandenburger Tor hätte sein sollen und die Umbenennung des Kirchenvorplatzes. "Theodor-Roller-Platz" wäre passender und ehrlicher gewesen, als der sich selbst beräuchernde "Münsterplatz".
- Theodor Roller - ein Katholik - war von 1930 bis 1935 Mitglied der Hitlerjugend;, 1937 verweigerte er aber den Fahneneid auf Adolf Hitler auf Grund seiner christlichen Überzeugung. Ein Militärgerichtsverfahren wurde deswegen gegen ihn eröffnet, in dessen Verlauf er mit Verdacht auf Schizophrenie zunächst in die Psychiatrie München überwiesen, aber nach vier Monaten entlassen wurde. Anfang 1939 schrieb er zwei Briefe an Adolf Hitler in denen es unter anderem heißt:
- „Als Christ nenne ich Sie einen Lügner und als Deutscher den größten Volksschädling, der je deutsche Erde betrat!“
- Roller wurde von einem Stuttgarter Sondergericht trotz eines gegenteiligen psychiatrischen Gutachtens als schizophren in die Heil- und Pflegeanstalt Kloster Weißenau eingewiesen und überlebte dort den Krieg. Erst nach seinem Tod 2008 wurde sein Widerstand einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Im Entnazifizierungsverfahren wurde Roller aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Hitlerjugend als „Mitläufer“ eingestuft und erst nach einem Widerspruch entlastet. Der Nazi-Richter seines Sondergerichts dagegen wurde als „unbelastet“ eingestuft. - Quelle: wikipedia
Und dann - angesichts des Krankenhaussterbens im Kreis und der Finanzknappheit für Medizin und Bildung (Gewerbliche Schulen Ravensburg) - haut "Kretsche" diese "gern geschehene" Unverschämtheit raus. Zwar kann er persönlich nichts für die verderbliche Verschmelzung Kirche/Staat (die zwar geleugnet wird, aber doch existent ist) nichts. Aber unsensibel und unklug und eine Ohrfeige für die eine Klinik erhaltend kämpferischen Bürger (ohne Erfolg), ist es allemal.
Und ehrlich gesagt: Die katholische Kirche ist dermaßen reich, dass endlich mal ein Politiker - dem die weggefallenen Wählerstimmen nach dieser Aussage nicht wichtig sind - sagt, dass dies ein für alle Mal abgeschafft gilt.
Apropos: Sollte es einen Gott geben - was ich immer noch glaube, aber nicht weiß (von "wissen") - ist IHM der sonntägliche Gang der Menschen in einen "Stall" - zu Gunsten guter medizinscher Versorgung der Gesellschaft - hundert Mal lieber, als der in ein prunkvolles weihrauchgeschwängertes "Münster".