"300" und ein schlechter Plan - Flüchtlinge in der "Zeltstadt" mit Kälte aus der Nachbarschaft und Hormonen im Inneren ...
Von Stefan Weinert
Auch heute, am 12. Oktober 2023, war es in Oberschwaben ungewöhnlich warm. Es hätten auch der 12. Juli oder der 13. August gewesen sein können. Doch das Klima ist und bleibt unberechenbar. Dass wir für die nächsten Monate Verhältnisse haben werden, wie vor der spanischen Atlantikküste ist sehr unwahrscheinlich.
Der Winter 2023/24 soll laut dem hundertjährigen Kalender kalt, trocken und unbeständig werden. Im Dezember soll es Schneefall geben, im Januar sehr kalt und trüb werden. Der 100-jährige Kalender machte eine Wetter-Vorhersage für den Sommer 2023. Im Großen und Ganzen waren die Wettervorhersagen richtig, denn neben Hitze und Trockenheit gab es auch einige Waldbrände und heftige Gewitter. Auch für den Winter sagt der hundertjährige Kalender wechselhaftes Wetter voraus. Es soll sehr unbeständig, aber auch recht kalt und eher trocken als feucht werden.
Nun ja, es kann auch anders kommen. Abgesehen vom Thema Klima, sind mir bei der Unterbringung der jungen Flüchtlinge - so wie es die "Schwäbische Zeitung" gestern freundlicherweise berichtete - folgende Dinge aufgefallen.
a) Der Landkreis Ravensburg hat die Unterbringungsangelegenheiten für die alleinstehenden Männer aus den Fluchtländern dem "Deutsche Roten Kreuz" anvertraut. Den unmittelbaren Nachbarn, die sich schon jetzt beklagen wurde vom DRK angeboten, sich bei Beschwerden "jederzeit" telefonisch an den Leiter des Unterbringungsteamswenden zu können. JEDERZEIT heißt konkret und de facto auch und vor allem: nach 18 Uhr bis morgens 8 Uhr; am Samstag, am Sonntag jeweils durchgehend, am Heiligen Abend, 1. und 2. Feiertag - usw. usw. dito! Denn gerade da wird es notwendig sein. Wer glaubt, dass die zuständigen Stellen ihre entsprechenden Telefonnummern und grade auch Handynummern für diese Brennpunktzeiten herausgeben werden, der träumt.
b) Apropos: Wer übernimmt eigentlich die soziale Betreuung der 300 jungen, teilweise traumatisierten aber auch lebenshungrigen und zu bändigenden Männer? Heimunterbringung und Polizei sind das eine, -- das andere ist die "Begleitung durch das Leben im Unbekannten."
c) Die Leichtbauhallen - bitte wählt mal ein anderes Wort, denn dieses hier erinnert doch eher an "Leichenhallen" - werden mit Öl beheizt, so berichtet es die Zeitung. Wo bitte stehen die Öltanks und mit wie vielen tausenden Litern "Brennbarem" sind sie betankt?? Junge Männer rauchen gern und viel. Ich habe nicht vernommen, dass beim Ortstermin der Kreisbrandmeister zugegen war? Und gibt es eine für eine solche Unterbringung angemessene Warnanlage respektive Warnsystem? Apps? Für die jungen Männer? Für die Feuerwehr? Wo war die?
Als ehemaliger Flüchtlingssozialbetreuer und -Berater in einem Team (aber der einzige Mann unter Kolleginnen) muss ich doch mal fragen dürfen, wer sich diesen heillosen Plan erdacht hat? Und ganz offensichtlich kein Kreisrat und keine Kreisrätin oder -Fraktion hat irgendwelche Einwände erhoben?! Mal ganz abgesehen davon, dass das "fliegende Flüchtlingszeltzentrum" bereits im Sommer 2024 wieder abgebaut werden soll. Und wer von den Damen und Herren "Gewählten" hat zuvor das Gespräch mit den Nachbarn gesucht?
Der wetterfeste und bunte Kunststoffkicker im Vordergrund der Zeltstadt - wie in der Zeitung abfotografiert - zeigt, wie naiv und oberflächlich und lieblos die "Verbringung" der Flüchtlinge geplant ist. Wie gesagt, es sind junge mit Hormonen "vollgestopfte" Männer, genauso wie Kevin, Peter, Gerd und Konrad aus der deutschen Nachbarstadt. Sie alle haben einen gefährlichen und teilweise lebensbedrohenden Fluchtweg hinter sich. Sie sind elternlos, orientierungssuchend.
Auch diese jungen Männer wollen "leben"! Und womöglich sind sie auch mit falschen Vorstellungen zu uns gekommen. Wer fängt das auf, wer korrigiert das sozial-pädagogisch, wer versucht, die Kräfte "heilbringend" zu kanalisieren? Diese Fragen und Hinweise haben beileibe nichts mit Vorurteilen, Diskriminierung oder gar Asylphobie zu tun. Im Gegenteil. Denn das schreibt jemand, der selbst 15 Jahre lang versucht hat, durch den Aufbau von Fahrradwerkstätten, Sport- und Freizeiträumen (Boxen, Kraftgeräte, Tischtennis, Teestube, Schach) und -Projekten (Fußballturniere) und es konnten zwei Honorarkräfte (Männer) als Boxlehrer und Pädagoge eingestellt werden; und es gab Gesprächsangebote. Das alles, um die Power junger Männer aus Afghanistan, Irak, Maghreb, Türkei, Kosovo ... in gute Bahnen zu lenken. Das ich - obwohl ich es nicht beabsichtigt hatte - für viele junge Männer zu einer Art von "sozialem Vater" wurde, war eine wichtige Erkenntnis - denn den brauchen junge und alleinstehende und entwurzelte junge Menschen.
Das war Ende der 1990er und zu Beginn der 2000er Jahre in Ravensburg (Schützenstraße), in Wangen und teilweise in Leutkirch. Hört sich an wie das soziale Paradies. Nein, das war es ganz und gar nicht. Aber es waren drei Dinge vorhanden: Kreativität, Idealismus und das nötige Geld! Fehlschläge und Erfolge, Freude und Frust, ein Budget und "Lehrgeld" - all das gab es zu Genüge.
Dafür reichen aber kein Sicherheitsdienst und auch nicht die Polizei und Sprachkurse und die wage Andeutung von "sportlichen Freizeitangeboten". Denn Flüchtlinge haben im Grunde rund um die Uhr "Freizeit" - und um die zu füllen, braucht es mehr.