Die Wurzeln des deutschen Antisemitismus und dessen Stereotypen liegen dort, wo sie niemand vermutet ...
Von Stefan Weinert (c)
Während der deutsche Oskar Schindler einst über 1.000 Juden vor dem Weg in die Gaskammern von Auschwitz bewahrte, hatte die „Lichtgestalt“ des Mittelalters und der große Reformator Martin Luther durch seine Traktate, Schriften, Predigten und Bücher, genau das Gegenteil getan. Jedoch nicht tausendfach, sondern zu sechs Millionen und noch mehr
Martin Luthers antisemitischen Äußerungen, in Tischreden, Traktaten, Schriften und Büchern, wurde nicht – wie immer wieder offiziell bis in die Gegenwart behauptet wird – von den Antisemiten des Mittelalters, des Deutschen Reiches, der Weimarer Republik, des „Dritten Reiches“, der Bundesrepublik Deutschlands und Europas „instrumentalisiert“ (= missbraucht, benutzt), sondern im Gegenteil: Dr. Martin Luther hat seinen Antisemitismus dem Deutschen und Europäer so eingeimpft, eingebläut und unauslöschlich mit auf den Weg der zukünftigen Geschichte gegeben, dass auch die Nazis und die sie unterstützenden lutherischen Christen - in der Tradition des Reformators – die Juden für die Not ihrer jeweiligen Zeitepoche verantwortlich machten: „Die Juden sind unser Unglück!“. So lässt es auch Professor Harald Lesch in seiner dreiteiligen Dokumentation „500 Jahre Reformation“ von einem Historiker ganz offiziell transportieren, wenn dieser meint, Julius Streicher hätte in den Nürnberger Prozessen 1945 Luther instrumentalisiert. Nein, das hat er nicht, sondern er, Streicher, hat sich (leider) zu Recht auf Luther berufen können. „Luther und die Juden, das ist ein bedrückendes Kapitel“, sagt Harald Lesch im Teil III dieser Dokumentation. (ZDF-Info, 20. Januar 2019) Eine wirkliche Vertiefung und Verarbeitung dieses „bedrückenden Kapitels“ findet aber durch ihn auch hier nicht statt.
Kaum aber dürfte bekannt sein, dass Martin Luther auch die Arbeitsethik „der Deutschen“ vor 500 Jahren festgelegt hat. „Made in Germany“ leitete er aus der Bibel ab. Das Thema „Arbeit“ spielt gegen Ende der Weimarer Republik nicht nur eine wichtige, sondern auch verheerende und abgrundtiefe Rolle.
Seit dem 12. Jahrhundert kam zu dem religiös begründeten Judenhass auch noch der aus wirtschaftlichen Gründen hinzu. Das bis heute noch wirksame Stereotyp von den Juden als "Wucherern", stammt aus dieser Zeit. Von der „christlichen Wirtschaft“ ins Abseits gedrängt, musste sich die jüdische Bevölkerung vom Trödelhandel und Kleintierzucht ernähren. Eine besondere Rolle spielte der aus dieser Not heraus geborener Geldhandel gegen Zinsen, der der christlichen Bevölkerung zunächst verboten war (später aber aufgehoben wurde) und den auch das Alte Testament untersagt. Demnach durfte kein Jude von einem Juden Zinsen verlangen. Von einem Christen schon. So jedenfalls legten es die damaligen Rabbiner aus. Während des 14. Jahrhunderts verurteilten Päpste und Konzilien wiederholt diesen, als "jüdischen Wucher" verschrienen Geldhandel, übersahen dabei aber, dass sie selbst durch ihre Politik die Juden in diese Situation gebracht hatten, und leisteten auf diese Weise den Feindschaften christlicher Schuldner gegenüber ihren jüdischen Gläubigern Vorschub. Kein Wunder also, dass dem Deutschen der Jude als der nicht nur verstockte, sondern nun auch noch als der geldgierige Mensch galt, der die Notlage seiner christlichen Umwelt erbarmungslos auszunutzen wusste. Diese absolut pervertierte Darstellung der Realität, verfestigte sich durch die Jahrzehnte und Jahrhunderte in das gesellschaftliche Bild vom Juden und findet sich sehr prominent in Shakespeares (1564 bis 1616, also nach Luthers Leben) 'Kaufmann von Venedig', wieder. In diesem Schauspiel wird das Thema „Gnade vor Recht“ behandelt, wobei der Dichter die Gnade des Neuen Testaments dem Recht des Altes Testaments gegenüberstellt.
„Vor mir tat sich die Hölle“. Das war das Ergebnis meiner Recherchen zum Thema "Martin Luther und der deutsche Antisemitismus". Gleichzeitig kam ich zur bitteren Erkenntnis, dass Martin Luther und seine (!) Kirche, Garant für den Holocaust Hitlers gewesen ist. Den "Antijudaismus" gab es schon weit vorher - seit der frühen christlichen Kirchengeschichte. Doch martin Luther hat aus dem Antijudaismus (Andersgläubigkeit), den ANTISEMITISMUS gemacht und die Juden zu einer "anderen Rasse, die durch das Blut weitergeben wird" degradiert,
„Nietzsche hat über die Deutschen gesagt: ‚Ein Volk, das sich der Intelligenz eines Luther unterordnet!‘ – Nein Hitler ist kein Zufall, kein illegitimes Unglück, keine Entgleisung. Von ihm fällt ‚Licht‘ auf Luther zurück, und man muss diesen weitgehend in ihm wiedererkennen. Er ist ein echtes deutsches Phänomen.“ (Thomas Mann, Tagebucheintrag vom 20. Oktober 1937). –
Schon zu Lebzeiten Luthers gab es in Kirche und Staat wie gesagt einen bereits 1.400 Jahre alten Antijudaismus. Durch seine theologische Interpretation und heilsgeschichtliche auf Jesus Christus bezogene Herangehensweise an die „Judenfrage“, ließ der Reformator den Antijudaismus eben zum religiösen "Antisemitismus“ werden. Weil die Juden Jesus nicht als ihren Messias akzeptieren, sind sie verdammt und verloren. Weil sie verdammt sind, sind sie des Teufels. Weil sie des Teufels sind, ist in ihnen rein nichts Gutes zu finden und selbst ihr Wille zur christlichen Taufe, ist ein Täuschungsmanöver.
Das war dann nicht mehr nur religiös begründet, sondern rein rassistisch. Luther hat seine Aussagen wider die Juden nachträglich nie in Frage gestellt und auch nie widerrufen, sondern diese bis vier Tage vor seinem Tod öffentlich gepflegt. Ich bin beileibe nicht der Erste, der dies feststellen muss. Viele Autoren vor mir haben den Sockel, auf den Luther seit 1517 gehievt wurde, abgetragen und den Lack der übermächtigen Figur Schicht für Schicht entfernt. Martin Luther hatte nicht „eben auch ein paar Schattenseiten“, wie seine Verehrer und Verteidiger bis heute meinen, sondern durch sein gesamtes öffentliches Leben (Reden, Handeln, Schreiben) von 1505 bis zu seinem Tod 1546 konterkarierte er das, was er ins Deutsche übersetzt hatte. Die Bibel. Ein "Luther-Denkmal gehört nicht nur nach Worms und Wittenberg, sondern auch und gerade nach Dachau, Treblinka, Ravensbrück (Frauen-KZ) und Auschwitz!
Um auf Luthers letzte Predigt zurückzukommen. Im Januar 1546 kam "Martin Luder" (so sein ursprünglicher Name) von Wittenberg nach Eisleben, um einen Streit in der Mansfelder Familie zu schlichten, was ihm auch gelang. Da es ihm aber gesundheitlich nicht gut ging, blieb Luther in Eisleben, wo er am 14. Februar 1546 einen Gottesdienst abhielt. Während der Predigt erlitt Luther einen Schwächeanfall, so dass er die Predigt abbrach und nur noch eine „Vermahnung wieder die Juden“ verlesen konnte. Der Predigttext war aus Matthäus 11: „Kommt her zu mir (Jesus) alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ Und welch ein Widerspruch, welch ein Konterkarieren der schönsten aller Jesus Worte m Neuen Testament, wenn Martin Luther nun der Gemeinde folgende Worte vorträgt: „Wollen sich die Juden zu uns [nicht „zu Jesus“] bekehren und von ihrer Lästerung, und was sie sonst getan haben, ablassen, so wollen wir (dito) es ihnen gerne vergeben: wo aber nicht: so wollen wir sie auch bei uns nicht dulden, noch leiden.“ (zitiert bei Andreas Pangnitz, „Luthers Judenfeindschaft“).
Schon längst hätte ich mich mit dem Antisemitismus des Dr. Dr. Martin Luthers intensiv beschäftigen müssen. Spätestens ab dem Zeitpunkt wo klar war, in welcher prunkvollen (Qualität) und ausführlichen (Quantität) Weise die evangelische und christliche Welt gedachte, den großen Reformator 500 Jahre nach Veröffentlichung seiner 95 Thesen in Wittenberg zu feiern, musste ich es tun. Und nicht nur das Jahr 2017 sollte und musste für dieses „Hochamt“ Luthers herhalten, sondern die gesamten zehn Jahre zuvor wurden als „Jubeldekade für Luther“ ausgerufen und gefeiert.
Bei meinen Recherchen tat sich mir im wahrsten Sinne des Wortes die „Hölle“ auf, so dass ich den Arbeitstitel meines Manuskriptes zu dem Buch mit dieser Thematik immer wieder änderte und verschärfte. Luther schickte nicht nur das Hab und Gut der Juden seiner Zeit und darüber hinaus, sondern auch sie selbst – vom Kleinkind bis zum Familienvorstand – in das Feuer. Und das, was nicht brennbar war, sollte mit Sand zugeschüttet werden. Geistig behinderte Kinder und Erwachsene waren für ihn nur ein „seelenloses Stück Fleisch“, das ebenso ins Feuer gehörte. So tat es denn auch Dr. Joseph Mengele, der KZ-Arzt, 400 Jahre später, als er im Konzentrationslager Auschwitz ein gerade entbundenes Kind unter der Bettdecke der Mutter, die das Baby verbergen wollte, hervorzog, und direkt lebendig ins Feuer warf.
Sie alle – Juden und Behinderte - schrieb Luther dem Teufel zu, sie selbst alle waren für ihn Teufel. Das Wort „Teufel“ benutzte Martin Luther im Laufe seines Lebens sehr häufig. Und zwar all denjenigen gegenüber, die nicht mit seinen persönlichen theologischen, politischen und gesellschaftlichen Überzeugungen d’accord gingen. Vom Juden, der sich nicht auf den „dreieinigen Gott“ taufen lassen wollte, sondern an dem Einen, an „G’tt Jahwe“ (Jehova ist eine falsch vokalisierte Übersetzung) festhielt, über die Bauern samt ihrem Führer Thomas Müntzer, den Behinderten, bis hin zum Papst, waren sie alle – wie ich oben schon bemerkte - des Teufels Kinder und Teufel selbst, die auf das Ärgste und mit allen Mitteln zu bekämpfen und auszumerzen seien.
„Beliebt ist der Hinweis darauf, dass die schlimmsten antisemitischen Ausfälle Luthers aus seinen letzten Jahren stammen, so dass man zwischen einem judenfreundlichen frühen Luther, dem eigentlichen Reformator, und dem alten, verbitterten Judenfeind unterscheiden müsse. Diese Erklärung läuft jedoch darauf hinaus, die Katastrophe psychologisierend zu verharmlosen.“ (Andreas Pangritz in „Luthers Judenfeindschaft“, Seite 1)
Die Relativierung und Verharmlosung eines – wie ich feststellen muss - bis heute tödlichen Virus’ ging mir einfach zu weit, und ich begann mit meinen Nachforschungen. Und wie gesagt. Es war wesentlich schlimmer als geahnt. Unter der Prämisse meines Ergebnisses, hätte ein „Lutherjahr“ mit diesem „Jubelkonzept“ und eigener Briefmarke, niemals stattfinden dürfen. Und die davor liegende Dekade hätte vielmehr dazu genutzt werden sollen, nicht nur die Parallelität, sondern vor allem die Kausalität zwischen Luthers Antisemitismus’ und dem Holocaust“ herzustellen, es zuzugeben und aufzuarbeiten.
Die Evangelische Kirche (DEK) damals, wie heute die EKD, hat es nie vermocht, sich von Luther und seinem Antisemitismus bei gleichzeitiger Anerkennung von großer Schuld, zu distanzieren. Luthers Verdammung der Juden fand nicht erst in seinen „letzten“ Jahren statt, sondern – wenn auch noch nicht so plakativ, offen und schonungslos wie 1543 – theologisch und christologische verpackt. Der EKD tut es vielmehr Genüge (Synode 2000), sich von dem Antisemitismus Adolf Hitlers und dem Versagen ihrer Kirche von 1932 (Reichstagswahlen im Juli und November) bis 1945 abzugrenzen, blendet jedoch aus, dass ohne Luthers Judenhass, den seine Kirche bereits in der Weimarer Republik weiter transportiert hatte, Hitler und die NSDAP niemals an die Macht gekommen wären, und somit die Shoa und der Holocaust gar nicht hätten stattfinden können.
"Luther war ein großer Mann, ein Riese. Mit einem Ruck durchbrach er die Dämmerung, sah den Juden, wie wir ihn erst heute zu sehen beginnen." (Zwiegespräche zwischen Adolf Hitler und mir, von Dietrich Eckart, München 1924; S. 34).
Diese einst von Adolf Hitler geäußerte Ansicht war deckungsgleich mit der Sicht der Evangelischen Kirche während und zum Ausgang der Weimarer Republik. Martin Luther war für sie ein von Gott gesandter Jesus 2.0, und ebenso war es nun auch Adolf Hitler, der von Gott gesandt war, um den Gläubigen den rechten Weg zu weisen und um das deutsche Volk zu retten. Vor allem, die sich aus der Evangelischen Kirche rekrutierenden „Deutschen Christen“ (DC) sahen Jesus – Luther – Hitler in einer Reihe.
„Die Deutschen Christen (DC) waren eine rassistische, antisemitische und am Führerprinzip orientierte Strömung im deutschen Protestantismus, die diesen von 1932 bis 1945 an die Ideologie des Nationalsozialismus angleichen wollte. Sie wurde 1931 als eigene Kirchenpartei in Thüringen gegründet und gewann 1933 die Leitung einiger Landeskirchen in der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK). Mit ihrer Gleichschaltungspolitik und dem Versuch, durch die Übernahme des Arierparagraphen in die Kirchenverfassung Christen jüdischer Herkunft als Judenchristen auszuschließen, löste sie den Kirchenkampf mit anderen evangelischen Christen aus. Diese gründeten daraufhin im Mai 1934 die Bekennende Kirche, die die DC als Häretiker betrachtete und aus der Kirchengemeinschaft ausschloss.“ Quelle: wikipedia
Viele – auch offizielle – Vertreter der Evangelischen Kirchenwelt relativieren und rechtfertigen bis heute - gemeinsam mit einigen Historikern - den „späten Judenhass“ des Reformators. Luthers Hass auf die Juden wird dabei begründet allein und ausschließlich mit a) nie verwundener Enttäuschung (Härte und Verbitterung), weil die jüdische Reaktion auf seine Reformation nicht so war, wie er sich erhoffte, nämlich dass die Juden sich christlich taufen lassen würden, und b) mit seinem Mangel an klarem Urteilsvermögen aufgrund seines fortgeschrittenen Alters, so dass er sich also zu seinen antisemitischen Äußerungen und Schriften hat „hinreißen“ und c) dass Luther ein Kind seiner Zeit war, in der Judenhass salonfähig und aus dem Alltag nicht wegzudenken war.
Andere Historiker allerdings deuten Luthers Kehrtwende zum Judenhass als taktische Maßnahme, um seine Reformation nicht zu gefährden. Eigentlich, so meinen sie, sei es keine Kehrtwende, sondern ein sich „outen“ von dem, was schon immer und latent in Luther vorhanden war: Der Jude war für Luther lediglich ein Objekt, dass zum Glauben an Jesus Christus zu missionieren sei. Für ihn war der Jude, solange er Jude war, kein von Gott geliebtes Individuum. Und ließ der Jude sich nicht zum Christentum bekehren, dann zeige er sich als Parasit, der das Volk aussauge, und ließe so sein wahres Gesicht erkennen. Luthers spätere und angebliche Nebel umnachteten Judenschriften (quasi „Ausrutscher“) wurden bereits zu seiner Zeit einige Male für lokale Pogrome gegen Juden benutzt. Antisemiten benutzten sie im Kaiserreich ab 1876 zur Ausgrenzung von Juden. Nationalsozialisten und „Deutsche Christen“ legitimierten und unterstützten damit die staatliche Judenverfolgung, besonders die Novemberpogrome von 1938. „Deutsche Christen“ forderten christlich getaufte Juden auf, ihre Gemeinschaft (= Kirche) zu verlassen, denunzierten sie oder schlossen sie von sich aus, und schickten sie somit ins KZ und in das sichere Gas!
Martin Luthers 450. Geburtstag am 10. November 1933 kam den Nationalsozialisten gerade recht. Nach der Machtergreifung der NSDAP im Januar 1933 (Hindenburg ernannte Hitler ohne Not zum Reichskanzler und meinte, wie auch von Papen, dass man Hitler nach zwei Monaten in „die Ecke gedrückt hätte, dass es nur so quietsche.“ - Wilfried von Bredow, Thomas Noetzel: Politische Urteilskraft. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009).
Die Nazis ließen den runden Geburtstag des Reformators mit einem „Deutschen Luthertag“ im ganzen Land feiern. „Für meine Deutschen bin ich geboren, ihnen will ich dienen“ – dieses Zitat Luthers aus der Zeit seines Aufenthalts auf der Wartburg 1521 (also in jungen Jahren) steht auf einer Gedenkplakette, die eigens für den Luthertag geprägt wurde. Es ist auch auf dem „Cover“ der „Richtlinien der deutschen Christen“ von 1932 zu finden.
Aufgrund des verlorenen Weltkrieges von 1914 bis 1918, der „Dolchstosslegende“, in der das „bolschewistische und das internationale Judentum“ eine große und unsägliche Rolle spielten, dem Aufrüstungsverbot und der über hohen Reparationszahlungen (Versailler Vertrag), war auch ein Adolf Hitler 400 Jahre nach Martin Luther sehr verbittert und erzürnt, und hat dies alles nie verwunden. Diese tiefe innere Verwundung führte dazu, dass sein klares Urteilsvermögen so sehr litt, dass er sich dazu hinreißen ließ, das Buch „Mein Kampf“ zu schreiben, den Holocaust und seine Durchführung mit all seinen grausamen Nebenerscheinungen an 6.000.000 Juden zu befehlen, die höchstmögliche Härte gegen die Menschlichkeit zeigte, und darüber hinaus noch für den Tod von weiteren 44.000.000 Menschen hauptverantwortlich war. Das alles sei zwar sehr schlimm, doch wenn man bedenkt, dass Hitler enttäuscht, verhärtet, geistig nicht klar war, dann muss man verstehen, dass er so geredet, geschrieben und gehandelt hatte. Vorsicht: bittere Satire!
Das jedenfalls wäre das Ergebnis der Luther-Logik hinsichtlich der Entstehung Hitlers Antisemitismus’. Damit wäre das, was Hitler und seine Gefolgsleute 400 Jahre später den Juden, den Sinti und Roma, den Homosexuellen, den Politischen angetan hatte, ein Verhalten, das nach unserem nachträglichen Verständnis verlange, und also nicht mehr als ein entschuldbarer „Vogelschiss“ in der Geschichte Deutschlands sei. Die AfD lässt herzlich grüßen.
Es muss festgestellt werden, dass Luther mit seiner Reform der Kirche auf mindestens der halben Strecke stehen geblieben ist. Er war ein Doktor der Theologie und kannte nicht nur die Schriften des Alten Testamentes, sondern auch die des Neuen Testamentes, vom Evangelium des Matthäus bis hin zum Brief an die Hebräer und der Apokalypse des Johannes. Er hatte sie alle in die "deutsche" und damit für sich und seine Zeitgenossen unmissverständliche Sprache übersetzt, und dennoch an der Institution „Kirche“ in ihrer Pyramidenform und den monetären Berufen des Pastors, Pfarrers und Bischofs festgehalten.
Die Kirchen (vor allem die evangelischen und –reformierten und auch frei-evangelischen) haben im Laufe der Jahrhunderte und vor allem im 20.ten Jahrhundert von 1933 bis 1945 gegenüber den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und gegenüber der jeweiligen Politik dermaßen versagt, dass ein Schweigen zur Verharmlosung und Relativierung des "antisemitischen Luthers und seiner antisemitischen Kirche" eben diesen gleichkäme und die Verleugnung und Verdrängung der kirchlichen Untaten, besser gesagt: Nichttaten, und auch die fehlende Aufarbeitung dieser kirchlichen Versagen mit deckt. "Wer schweigt, scheint zuzustimmen." (Papst Bonifatius VIII, 1235 - 1303).
1543 forderte der Reformator die evangelischen Fürsten mit seinem „Sieben-Punkte-Katalog“ zur Versklavung, Vertreibung und Vernichtung der Juden auf und erneuerte dazu die judenfeindlichen Stereotype, die er 20 Jahre zuvor noch verworfen hatte. Damit überlieferte er diese in die Neuzeit (!). Kurz zuvor, im Januar 1543, veröffentlichte Luther seine Schrift "Von den Juden und Ihren Lügen" - und es folgten weitere Schriften. Wohl einer Jubelfeier 480 Jahre später wert. Satire!