(2) Auch das gehört dazu: "Sahra ist der Wille zur Macht!" - Durch die Wagenknecht-Partei wird Vieles anders, nur Eines nicht ...
Welche Farbe/n wird die neue Partei in ihrem Logo wählen? Und wo im Parlament wird sie ihre Sessel belegen? Links von der Linken? Mitte? Oder? - Stef-Art '23
Von BSW [Blogger Stefan Weinert]
Nanu lieber Blogger, was ist denn heute Mittag mit dir los? Gestern hast du doch noch geschrieben, dass du die Entscheidung der ehemaligen Linken plus der neun Gleichgesinnten gut und richtig findest; und nun heute dieser Aufmacher?! Hast du Druck von Oben bekommen und daraufhin noch einmal genau hingeschaut und deine Meinung über SW um 180 Grad geändert?
Oh weh liebe Leser/in. Hast du nicht gewusst, dass es zu einer Freundschaft, oder - so wie in dem vorliegenden Fall - zur Symphatie für jemanden dazu gehört, ihn auch zu kritisieren (wenn's sein muss öffentlich), und dennoch nicht von ihm/ihr abzufallen?! Hast du nicht gelesen, dass ich mich offen als Freund des Staates Israel bezeichne und immer bezeichnen werde, ihn aber dennoch wegen seiner Palästinenser-Politik kritisch hinterfrage? Und dass ich in Sachen Russland/Ukraine weiter darauf beharre, dass man/frau beiden Seiten Gehör verschaffen muss und die Historie sei 1986 nicht außer Acht lassen darf? Und dass, obwohl ich quasi als "Verehrer" Larows und "putin-nah" beschimpft wurde?! Nein, keine Angst, ich schreibe nicht wegen Macht und großer Zustimmung und auch nicht wegen Geld.
Es geht mir in der Causa "Sahra Wagenknecht" und bei der bevorstehenden zu gründenden neuen Partei, um das Demokratieverständnis und den Umgang mit dem Wählervolk.
Seit 1949 ist es in der BRD usus, dass vom Volk gewählte Abgeordnet/innen, während einer laufenden Legislatur, die Partei wechseln, oder parteilos werden und bleiben, aber dennoch auf ihr Mandat beharren und im Gremium bleiben. Das geht vom Deutschen Bundestag, über die Landesparlamente, bis hin in die Kreistage und Gemeinderäte - auch in Ravensburg und seinem Kreis - so.
Zur Erinnerung: Gewählt werden in ein Parlament kann man/frau entweder durch ein Direktmandat oder über ein Listenmandat der jeweiligen Parteien. Als Einzelkandidat in den Bundestag einzuziehen, ist nur einmal einem Flensburger Bürger im Jahre 1949 gelungen. 2017 wollte ich es ihm - am anderen Ende der Republik nachmachen :) - landete aber von 22 Bewerber/innen nur auf Platz 17 - chancenlos.
Wenn nun jemand nur aufgrund seines guten oder gerade noch akzeptablen Listenplatzes seiner Partei in ein Parlament gewählt wurde, diese Partei aber verlässt und dennoch auf sein/ihr Mandat beharrt - entweder bei der Konkurrenz oder ohne Partei - dann ist das - ich sag's mal offen auf meine Art - Betrug an der Demokratie. Denn nicht der/die Bürger/in hat ihn ja in das Parlament gewählt, sondern seine Partei, zu der er/sie zu diesem Zeitpunkt gehörte und zu deren Politik er sich bekannte.
Überhaupt ist die Listenwahl (Zweitstimme, die ein Einzelkandidat verwehr bleibt) eine sehr fragliche Angelegenheit. Sie ist im Grundgesetz nicht vorgesehen, sondern von den "Vätern der Demokratie" zugelassen worden. In der Weimarer Republik gab es zwar auch Listen, aber keine Zweitstimmen. Je 60.000 Stimmen, brachten einer Partei einen (1) Abgeordneten. Im Grunde genommen sind Wahlen in der BRD - über die Wiedervereinigung Deutschlands bis heute - Parteienwahlen, denn Direktmandate sind eine Seltenheit und bringen - auch das ist undemokratisch - noch zusätzliche "Überhangmandate" mit sich.
Selbst bei den direkt vom Wähler Gewählten, ist ein Parteiwechsel innerhalb der Legislatur fraglich, denn er/sie wurden nicht nur wegen seines/ihres Namens, sondern auch wegen seiner/ihrer Identifizierung mit der Politik ihrer/seiner Partei gewählt.
Und nun - nach diesem langen Anlaufweg - kommen wir zu "Sahra plus neun". Der Vorsitzende der Partei "Die Linke", Martin Schirdewan nannte das Vorgehen der Abgeordneten um Wagenknecht "völlig unverantwortlich". Er forderte sie auf, ihre Mandate niederzulegen. Denn nur durch Nachrücker aus den eigenen Reihen der Partei - so meinte er - würden der Fraktionsstatus der Linken und die dazu gehörenden Arbeitsplätze ihrer über 100 Mitarbeiter/innen gesichert. -
Die "Linken" haben aktuell 38 Mitglieder im Deutschen Bundestag. Wenn mehr als zwei von ihnen austreten würden oder ausgeschlossen würden, verlöre Die Linke den Fraktionsstatus und kann nur noch als Gruppe weitermachen. Das wäre mit erheblichen Einschränkungen bei parlamentarischen Rechten und finanziellen Mitteln verbunden.
Bei der Bundestagwahl 2021 erreichte Die Linke immerhin drei Direktmandate. Das waren und sind Gregor Gysi, Gesine Lötzsch und Sören Pellmann. Die Partei selbst aber blieb bei den Wahlen unter der Fünf-Prozent-Hürde. In einer gemeinsamen Erklärung nannten die drei Abgeordneten es deshalb einen "höchst unmoralischen Diebstahl", wenn Wagenknecht und die neun weiteren nicht direkt Gewählten ihre Mandate behalten. - Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bestätigte, dass die zehn Abgeordnete zwar aus der Partei ausgetreten sind - zugleich vorerst aber Mitglied der Fraktion bleiben wollen. Das sei - so Bartsch - "unverantwortlich und inakzeptabel".
Und da stimme ich Schirdewan und Bartsch und auch Gregor Gysi vollkommen zu. Sahra Wagenknecht und ihr Gefolge sollten umgehend ihre Sessel räumen und zeigen, dass sie im Gegensatz zu allen anderen Parteien von links bis rechts begriffen haben, was wirkliche Demokratie bedeutet. Doch der Stoff, mit welchem sie an selbigen Sesseln kleben, heißt nicht etwa "Letzte Generation", sondern heißen MACHT & MACHT. Denn mit dem Status einer "Bundestagsabgeordneten/in" lässt sich besser arbeiten und Wahlkampf für die Europawahl und Landtagswahlen 2024 machen. Und - das ist dann die Spitze unserer völlig verkorksten Demokratie: sie alle zehn bleiben unter neuem Parteinamen im Bundestag, ohne jemals unter realen und ehrlichen Bedingungen dafür gewählt worden zu sein.
Sahra Wagenknecht dagegen hatte bei der gestrigen Pressekonferenz gesagt, sie werde ihr Mandat deshalb nicht abgeben, weil sie viele Nachrichten von Wähler/innen erhalten haben, welche die Linke auch ihretwegen gewählt hatten. Das mag zwar sein und ist nicht abwegig. Doch diese Linke, für die sie gewählt wurde, kritisiert sie nun bis zum fraktionellen Todesstoß. Das passt nicht.
Auch wenn ich die politischen Ansätze von Sahra Wagenknecht mag und wir sogar die Gemeinsamkeit unserer Namensinitialen SW - ja sogar BSW - haben :), werde ich ihre Partei nicht wählen können. Es sei denn, sie gibt unserer Demokratie durch den Respekt vor dem Wähler und Nichtwähler ein Stück Ehrlichkeit zurück und zieht sich jetzt mit ihren neun Kolleg/innen aus dem Bundestag zurück, um sich dann "ohne Diebstahl" wieder in ihn wählen zu lassen.