Die Waffen nieder - NEIN zum Krieg. -- Diskussionspapier der „Ukraine-Initiative – Die Waffen nieder“
Die Waffen nieder - NEIN zum Krieg. -- Diskussionspapier der „Ukraine-Initiative – Die Waffen nieder“
Das vorliegende Diskussionspapier wurde Ende August 2023 veröffentlicht und war Thema u.a. bei einem Webinar mit über 400 Teilnehmern. Dabei gab es viel Zustimmung, sowie wertvolle Anregungen zur Weiterentwicklung unserer Argumentation. Wir werden die Debatte fortführen und – unter Beibehaltung der Grundlinie – das Papier an einigen Stellen präzisieren.
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Vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges spielt seit einiger Zeit das Narrativ von der Rechtsoffenheit der Friedensbewegung eine zunehmende Rolle. Besonders massiv vorgetragen wurde es gegen die große Friedenskundgebung im Februar 2023 in Berlin, initiiert von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht. Die Führung hatte dabei das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit einer massiv manipulativen Berichterstattung, sekundiert von den übrigen Leitmedien.
Die Funktion dieser Demagogie besteht darin, die Gegner der herrschenden Kriegspolitik als Feinde der Demokratie zu markieren und so mundtot zu machen. Denn angesichts der weit verbreiteten Skepsis in der Bevölkerung gegen den amtlichen Bellizismus muss an der medialen Heimatfront mit allen Mitteln das Ziel eines militärischen Siegs der Ukraine mehrheitsfähig gemacht werden.
Der Vorwurf der Rechtsoffenheit oder gar rechts zu sein ist schwerwiegend und wirkt daher auf so manche einschüchternd, die sich eigentlich gern engagieren würden. Sie ziehen sich dann aus Protesten zurück und äußern ihre Meinung allenfalls noch hinter vorgehaltener Hand.
Leider wird das Narrativ von der Rechtsoffenheit gegenwärtig auch von manchen Kräften in der Friedensbewegung verbreitet. Mit jenen, die nicht in gleichem Atemzug auch die NATO-Positionen übernommen haben, verbindet uns aber nach wie vor das Eintreten für einen Verhandlungsfrieden und die Ablehnung von Militarisierung und Aufrüstung. Umso wichtiger ist es daher, die Diskussion innerhalb der Bewegung zu führen. Dazu soll der vorliegende Text beitragen.
Wie mit neuartigen Protestbewegungen umgehen?
Zentrum der Meinungsverschiedenheiten ist die Frage nach dem Umgang mit neuen und neuartigen Protestbewegungen. Das ist kein spezifisches Problem der deutschen Friedensbewegung. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg standen soziale Bewegungen, darunter auch die Friedensbewegung, meist von Anfang an unter der Hegemonie linker oder progressiver Kräfte. Diese Zeiten sind allerdings vorbei. Mit den gesellschaftlichen Umbrüchen und multiplen Krisen in fast allen Ländern des ‚demokratischen Kapitalismus‘ sind zwar viele neue Anlässe für Protest entstanden. Aber angesichts des Niedergangs und der Schwäche der gesellschaftlichen Linken ist dieser Protest politisch und ideologisch meist diffus, von Widersprüchen durchzogen und in seiner Zusammensetzung oft sehr heterogen.
Typische Beispiele sind die Bewegung der Gelbwesten in Frankreich oder die Cinque Stelle in Italien (vor ihrer Formierung zur Partei), die Hunderttausende mobilisieren konnten. Die Linke wurde davon völlig überrascht, und einige hatten große Probleme, damit umzugehen. So behaupteten manche, die Gelbwesten seien von der extremen Rechten gesteuert oder gar antisemitisch.
Wenn eine solche neuartige Bewegung auftritt, besteht angesichts ihrer Heterogenität und politischen Nicht-Determiniertheit in der Tat eine gewisse Offenheit – aber nach allen Seiten hin. Entscheidend ist in einer solchen Situation, welche Orientierung sich im weiteren Gang der Dinge durchsetzt. Politik ist nicht statisch, sondern prozesshaft. Wer von vorneherein glaubt, dass eine solche Bewegung vom Start weg sofort den Ansprüchen etablierter linker Organisationen genügen müsse, hat nicht verstanden, wie soziale Bewegung und politische Meinungsbildung an der Basis der Bevölkerung heute funktionieren. Das Bündel von außergewöhnlichen Krisen, die die Gesellschaften erschüttern, und der zunehmende Kontrollverlust auf Herrschaftsseite führen zu enormer Verunsicherung und Orientierungslosigkeit. Wenn Menschen sich dann zu Protest organisieren, ist das zunächst einmal ein Akt der Selbstermächtigung. Was dann daraus wird, hängt zwar nicht nur, aber auch in hohem Maße davon ab, wer in den weiteren Prozess mit welchen Zielen eingreift.
Die AfD u.a. Rechte haben das begriffen und bemühen sich um Hegemonie über neue Protestbewegungen. Verkennt die Linke jedoch die Heterogenität und Offenheit neu entstehender Bewegungen und verzichtet auf Eingriffsmöglichkeiten, weil sie glaubt, vermeintlich lupenreine Gewissheiten verteidigen zu müssen, ist das Kapitulation vor den neuen Herausforderungen, quasi Selbstmord aus Angst vorm Tod.
Natürlich besteht dabei, wie bei allem politischen Engagement, das Risiko des Scheiterns.
Bei den Gelbwesten begaben sich Teile der Linken, darunter La France Insoumise, Attac Frankreich und einige Gewerkschaften, in die Bewegung hinein. Sie haben dabei darauf verzichtet, ihre eigene politische Identität durchzudrücken. Stattdessen diskutierten sie, organisierten Erfahrungen und Lernprozesse auch für politisch unbeschriebene Blätter, naive oder in Irrtümern befangene Mitstreiter. Nicht jeder, der auf die Straße geht, hat Faschismustheorie und einschlägige historische Kenntnisse intus. Zwar wurden die Gelbwesten nicht die neue Avantgarde auf dem Weg in linke Utopien, aber die Versuche, die Bewegung von rechts zu instrumentalisieren, scheiterten. ...
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An der Abfassung dieses Textes waren beteiligt: Yusuf As, Reiner Braun, Wiebke Diehl, Andreas Grünwald, Claudia Haydt, Rita Heinrich, Jutta Kausch-Henken, Ralf Krämer, Willi van Ooyen, Christof Ostheimer, Hanna Rothe, Peter Wahl.