Wenn die Umwelttechnik mit ihrem Latein am Ende ist ...
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Extreme Hitze und Waldbrände, Starkregen und Überflutungen, Gletscherschmelze und Murenabgänge – Europa hat die Auswirkungen des Klimawandels in diesem Sommer deutlich zu spüren bekommen. Ist die Welt noch zu retten? Weil immer mehr Expertinnen bezweifeln, dass wir das 1,5-Grad-Ziel noch schaffen können, wird Geoengineering vermehrt zum Thema.
Dabei geht es darum, die Temperatur der Erde durch technische Mittel abzukühlen. Eine der effektivsten, aber höchst umstrittenen Methoden ist das Solar Radiation Management (SRM), bei den Sonnenstrahlen zurück ins All reflektiert werden. Die meistdiskutierte Idee sieht vor, Schwefeldioxid in der Stratosphäre zu verteilen. Wie bei einem Vulkanausbruch würden die Aerosole einen Teil des Sonnenlichts zurück ins All reflektieren – und die Temperaturen auf der Erde sinken. Völlig unklar sind jedoch die Auswirkungen auf das regionale Klima etwa in den Subtropen und auf die Ozonschicht. Es wäre ein äußerst riskantes Spiel mit dem Weltklima – mit unbekannten Folgen. Die meisten Wissenschaftler warnen vor Methoden wie SRM, doch Forschungsprojekte dazu existieren längst (siehe auch profil 30/23).
Was nach Science-Fiction klingt, ist zumindest in den Köpfen von manchen Wissenschaftlern und Politikern bereits recht weit fortgeschritten. Doch wer würde am Ende darüber entscheiden, ob und in welchem Ausmaß etwa Aerosole in die Atmosphäre gesprüht werden? Könnten einzelne, besonders vom Klimawandel betroffene Länder voranschreiten? Das befürchtet offenbar der scheidende EU-Klimakommissar Frans Timmermans. Er warnte kürzlich vor den Risiken von Geoengineering und forderte internationale Gespräche über ein Regelwerk. Genau das will auch Janos Pasztor. In den vergangenen sieben Jahren ist der ehemalige Klimaberater von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon um die Welt gereist, um mit Staats- und Regierungschefs über ein internationales Regelwerk für Maßnahmen wie SRM zu sprechen. Die Methode, mit der Aerosole das Sonnenlicht ins All zurückwerfen, nennt der 68-Jährige eine „potenzielle Notfalloption“. „Ob man nun dafür ist oder nicht, es braucht ein Regelwerk“, schrieb er vor Kurzem in der französischen Tageszeitung „Le Monde“. Erste Schritte dafür könnten bereits kommende Woche bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen gesetzt werden. profil erreichte Pasztor per Videocall zu Hause bei Genf in der Schweiz
Sie haben vier Jahrzehnte Erfahrung auf dem Gebiet der Klimapolitik, nun reisen Sie um die Welt, um mit führenden Politikern über ein rechtliches Regelwerk für Geoengineering zu sprechen. Was ist bei diesen Treffen herausgekommen?Pasztor: Das hat sich seit dem Start unserer Initiative vor sieben Jahren ziemlich verändert. Zuerst hieß es: Von welchen Planeten kommt ihr denn? Das ist Science-Fiction! Mittlerweile sind viele Regierungspolitiker gut für die Gespräche mit uns vorbereitet. Wir klären, ob sie bestimmte Maßnahmen zum Geoengineering für eine gute Idee halten oder nicht. Seit Kurzem sprechen die Politiker darüber, was konkret getan werden könnte, auch untereinander. Es hat eine Evolution stattgefunden. Manche Entscheidungsträger sind eindeutig für oder gegen Solar Radiation Modification (SRM, gemeint ist das Einbringen von Schwefeldioxid in die Stratosphäre), aber bisher hat kein Land Gesetze darüber verabschiedet.
Sie waren gerade für Gespräche in China. Wie viel können und dürfen Sie uns darüber erzählen – und wen haben Sie gesprochen?
Pasztor: Ich habe mit hochrangigen Regierungsvertretern gesprochen, nicht zum ersten Mal. China ist ein wichtiger Player. Was die Volksrepublik tut, betrifft in der Regel uns alle. Ich berate das „China Council for International Cooperation on Environment and Development“ (CCICED) und war bei dessen jährlichem Treffen dabei. Im Rahmen des CCICED kommen internationale Experten mit chinesischen zusammen, einmal im Jahr geben sie der chinesischen Regierung ihre Empfehlungen ab. Das CCICED könnte der Rahmen sein, in dem auch über SRM gesprochen wird. China hat viele Forschungsprogramme zu SRM und den Folgen, doch die Entscheidungsträger haben Bedenken, was den sogenannten „Moral Hazard“ betrifft.