"Frieden" darf nicht zum (unausgesprochenen) Synonym für "Putin tot, Klappe zu" mutieren!!
Einmal im Jahr feiert Ravensburg seine "Kunstnacht". Ich kann mich gut an die im Jahre 2016 erinnern, wo ich selbst aktiv dabei war. Seitdem sind sieben Jahre vergangen und wir haben "sieben Brücken" überschritten respektive sind wir noch dabei, sie zu bewältigen: Klimastreit, Corona, innerstädtische Verschandlungen, OSK-Desaster, Querdenker, Medien-Mühlen-Skandal und Krieg.
Gerade der letztgenannte fand auch in der diesjährigen Kunstnacht seinen Niederschlag. Und zwar in versuchter positiver Form, indem "Frieden" und nicht Krieg zum Eröffnungsthema gemacht wurde.
So gab es einen extra gestalteten "Friedenshof" mit der Darreichung von "Brot und Wein", was selbstverständlich das christliche und jesuanische "Abendmahl" assoziierte und an Versöhnung und Vergebung = Frieden erinnerte. All die anwesenden Ravensburger Protagonist/innen aus Politik, Kirchen und Kunst - so die hiesige Presse heute - lobten das dort von Jugendlichen Gebotene. Ein Schüler des "Welfen" sagte: "Weil Frieden für uns als Jugendliche wichtig ist, haben wir uns dafür engagiert.“ (Schwäbische Zeitung von heute)
Doch was ist hier - im Jahre 2023 und im 20. Monat des Ukrainekrieges / Konfliktes mit "Frieden" gemeint? Bedeutet Frieden gleich Putins Niederlage oder gar Tod und Selenskyjs Triumph über den Aggressor und die Präsenz der NATO und USA am Dnepr? Oder bedeutet Frieden das, was die in Deutschland noch verbliebenen Pazifisten unter diesem Begriff verstehen und auch immer verstanden: Schweigen der Waffen, Verhandlungen und zu voriger Anerkennung der Schuld beider Seiten?
Tja, das sieht unser Bundeskanzler eindeutig so:
Und alle, die echte Demokraten und Gläubigen der Politik & Presse sind, übernehmen das. Ich glaube nicht, dass im Ravensburger Friedenshof Stimmen laut wurden die meinten, mensch müsse aufhören immer nur Putin zu verteufeln und das Morden durch NATO-, USA- und BRD-Kriegsgerätlieferungen zu verteidigen - und zwar bis zum bitteren Ende des Moskauer Diktators. Denn als "Höllenengel" will ja wohl niemand ins Fegefeuer des Volkes gehen, oder?
Insofern war es das Ganze nur eine Party mit Friedensanstrich, welcher der Wirklichkeit nicht standhält. Mehr nicht.
Wie "wohltuend" - sorry, dass ich dieses Wort in diesem Kontext benutze, aber ich erkläre gleich warum - war es da für mich, auf derselben Seite der Zeitung, die traurige aber eben wahre und eindringliche Kolumne von Wolfram Frommelt zu lesen.
Er schildert dort das Schicksal von Frauen im Iran, die eingekerkert und/oder erhängt wurden, weil sie ihr Leben gegen Vergewaltiger verteidigt haben oder überhaupt für ihre Frauenrechte eingetreten sind. Er berichtet von dem Fotografen Steffen Meyn, der im Rahmen der Besetzung des "Hambacher Forst" vom Baum stürzte und verstarb. Über beide Themen - so Frommlet - habe er in der Weingartner "Linse" - berührt und wie gelähmt - je einen Film gesehen.
Und Wolfram stellt unangenehme Fragen an uns und an die Politik, Fragen, die uns herausfordern, die uns mit der Komplexität der Themen und der Welt konfrontieren - und auch zeigen sollen, dass es solch kritische Einrichtungen wie das alternative Kino in der Nachbarstadt auch in Zukunft braucht. Insofern war es "wohltuend"!
Und was den "Frieden" in der Welt anbetrifft, ist der nicht durch schwarz-weiß Malerei zu erreichen - auch nicht der für Russland und die Ukraine. Das Ganze ist sehr komplex und ich wünschte mir, dass dies in unseren Medien endlich einmal umfänglich aufgegriffen, und nicht einem einzelnen oder wenigen überlassen wird.