RAVER PUK-Zentrum heute (21.09.2023) - Wolfram Frommlet liest Texte zur 1848er Revolution in deutschen Landen - Auch Karl May wird unter den Zuhörer/innen sein
Verehrte Leserschaft,
erinnern Sie sich an die "abstruse" Diskussion vor genau 13 Monaten, als es darum ging, ob wir heute - vor allem unsere Kinder und Enkel - noch Karl May lesen dürfen? Jaaa! So meinte ich in einem meiner damaligen Blog-Artikel zum Thema "Winnetou". Und das aus einem ganz bestimmten und oft übersehenen politischen Grund.
Aus gegebenem Anlass gebe ich diesen Artikel aus dem August 2022 hier ungekürzt wieder. Der Anlass ist eine Veranstaltung heute Abend im Zelt in der Ravensburger Metzgerstraße, dort, wo noch bis zum Sonntag (ein Abend mit den Ravensburger Sinti und Roma) das Soziokulturelle Zentrum Ravensburg PUK sein vorübergehendes Domizil hat.
Dort liest heute ab 19 Uhr der Ravensburger Autor, Journalist und Publizist Wolfram Frommlet, Texte zur 1848er Revolution in deutschen Landen. Sicher eine spannende und erhellende Lesung, die niemand verpassen sollte.
Was das aber mit Karl May und Winnetou und mit all den anderen Protagonisten Mays (die Frommlet sicher nicht zitieren wird, und darum geht es hier auch nicht) - besonders mit einem aus Deutschland ausgewanderten Revoluzzer - (dennoch) zu tun hat, können Sie - wie gesagt - hier nachlesen.
Stefan Weinert, August 2022
Der sächsische Schriftsteller Karl May schuf in seinen Abenteuerromanen so manche Protagonisten, die unvergessen bleiben. Neben Winnetou und Old Shatterhand waren das Intschu-tschuna und Nscho-tschi, Sam Hawkens, Old Surehand, Hadschi Halef Omar und der böse Santer. Doch gerade im Kontext der aktuellen Diskussion, ob denn Karl May heute noch "lesbar" sei und für eine Kinderbuch-Version als Vorlage tauge, sollten wir eine wichtige, aber bei dem Leser und solche, die Karl May nur in der Theorie kennen, kaum erwähnte Person übersehen.
Im Film "Winnetou I." hat sie einen relativ kurzen Auftritt, obwohl der Mann um den es hier geht, den Apachen-Häuptling Intschu-tschuna (Winnetous Vater), Winnetou selbst und auch dessen Schwester Nscho-tschi insgesamt über 30 Jahre geprägt hat - und damit auch den ganzen Stamm der Mescaleros über eine Generation hinweg. Es handelt sich hier um den, wie auch Karl May, alias Old Shatterhand, aus Sachsen stammenden "weißen Vater" Klekih-petra, dessen ursprünglicher Name nie erwähnt wird.
Der "weiße Vater" war also kein dem "Deutschtum" verhafteter "Arier" - groß, blond und gut anzusehen, sondern erinnert äußerlich eher an den leider schon verstorbenen modernen Steven Hawking in seinem Rollstuhl. Und Klekih-Petra war nicht irgendwer. In seiner Heimat gehörte er zur Elite der Gelehrten und nahm als solcher an der Revolution von 1848 teil. Bei der im März 1848 (Märzrevolution) begonnenen Revolution ging es dem Bürgertum darum, die "Heilige Allianz" der Fürsten und Königshäuser in die Knie zu zwingen.
In den deutschen Fürstentümern nahm die Revolution ihren Anfang im Großherzogtum Baden und griff innerhalb weniger Wochen auf die übrigen Staaten des Bundes über. Sie erzwang von Berlin bis Wien die Berufung liberaler Regierungen in den Einzelstaaten und die Durchführung von Wahlen zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung, die am 18. Mai 1848 in der Paulskirche in der damals freien Stadt Frankfurt am Main zusammentrat. Die Nationalversammlung setzte eine Zentralregierung ein und sah sich selbst als Parlament eines revolutionären, entstehenden Deutschen Reiches.
Nach den mit den Märzerrungenschaften relativ rasch erkämpften Erfolgen, wie zum Beispiel Aufhebung der Pressezensur oder Bauernbefreiung, geriet die revolutionäre Bewegung ab Mitte 1848 zunehmend in die Defensive. Auch die vor allem im Herbst 1848 und bei der Reichsverfassungskampagne im Mai 1849 neu aufflammenden Höhepunkte der Erhebungen, die regional in Sachsen, der bayerischen Pfalz, der preußischen Rheinprovinz und vor allem in Großherzogtum Baden bürgerkriegsähnliche Ausmaße annahmen, konnten das letztliche Scheitern der Revolution in Bezug auf ihre wesentliche Kernforderung nicht mehr aufhalten. Bis Juli 1849 wurde der erste Versuch, einen demokratisch verfassten, einheitlichen deutschen Nationalstaat zu schaffen, von überwiegend preußischen und österreichischen Truppen mit militärischer Gewalt niedergeschlagen.
Klekih-petra allerdings verließ seine Heimat nicht nur um der Verfolgung durch die Obrigkeit zu entgehen, sondern auch aus Reue darüber, dass er aufgrund seiner Gesinnung Menschen verführt hatte, am Aufruhr teilzunehmen, und sie dadurch ins Unglück oder in den Tod geführt hatte. Zur Buße - so heißt es bei Karl May - ging Klekih-petra in die nordamerikanische Wildnis und lebte letztlich bei den Apachen. Als ein gewisser Rattler (im Film ist es Santer, der aber im Original erst in Winnetou III. auftaucht) auf Winnetou schießt, wirft er sich in die Schusslinie und wird getroffen. Im Sterben bittet er Old Shatterhand, sein Werk fortzuführen und bei Winnetou zu bleiben. Er stirbt mit Gott versöhnt. - "Als er starb, wurde ihm ein Grabstein errichtet und mit Lebenseichen umpflanzt," heißt es rückblickend in Winnetou II.
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KARL MAY (1842 bis 1912) hieß eigentlich mit richtigem Namen Carl Friedrich May. Er schrieb auch Lieder, Gedichte und andere Erzählungen unter seinem Pseudonym Karl Hohenthal.