PUK Ravensburg: Musikalisch-Lyrischer Abend der Kontraste "im Land", wo immer noch und schon wieder "die Kanonen blühen" ...
gestern Abend, am 7. September 2023, gab es im Rahmen des Sozio-Kulturellen-Zentrums Ravensburg PUK eine sehr interessante Veranstaltung, die ihr Publikum in eine Art Wechselbad der Gefühle mitnahm. Rund 40 Menschen versammelten sich unter der im leichten Wind sich wellenden Zeltplane in der Metzgerstrasse, um einerseits dem singenden und swingenden Frauenzimmer (wie es sich selbst nennt) "InTakt" aus Bergatreute zu lauschen, und anderseits gebannt und nachdenklich den von Wolfram Frommlet vorgetragenen Texten von und über den Dichter und Buchautor Erich Kästner zuzuhören. Beide, "InTakt" und Frommlet, wechselten sich mit ihren Beiträgen ab. Nach jeweils vier bis fünf Liedern, trat dann der Ravensburger Publizist und Autor ans Mikrofon.
Zunächst begann der Frauenchor aus dem Landkreis. Elf adrette Damen und ein Mann boten dem Publikum in drei Blöcken dreistimmig gesungene Lieder an, die mich stark an den Sound von Broadway erinnerten. Doch das "Frauenzimmer" sang nicht nur, sondern zeigte - je nach dem Liedinhalt - entsprechende Emotionen und körperlichen Einsatz. Bei dem ein oder anderen Lied, traten eine oder zwei Damen drei Schritte vor und sangen Solo, während der Chor kurz schwieg, oder dezent mitsummte.
Im Hintergrund der einzige Mann im Chor, der gekonnte Trompete oder die Percussion-Instrumente spielt. Eine der Damen griff bei einigen Songs zur Gitarre, eine andere zum Akkordeon oder spielte das aufgebaute Klavier. Manchmal kam auch eine Ukelele zum Einsatz. Insgesamt ein rhythmisch vorgetragenes Liedgut, das die Zuhör/innen zum Mitklatschen verführte.
Wie schon erwähnt, machte der Chor nach einigen gesungenen Beiträgen Platz für den Ravensburger Journalisten Wolfram Frommelt, dem man/frau besonders an diesem Abend anmerkte, dass er auch ausgebildeter Schauspieler ist. Denn je nachdem, wie es die einzelne von ihm vorgetragenen Textpassage verlangte, versetzte er sich hörbar und sehbar in diese hinein. Mal tief und ruhig, mal sehr laut und fast schreiend, mal mit zynischem oder ironischem Unterton.
Wer sich mit Lyrik von und autobiografischen Texten über Erich Kästner beschäftigt kommt nicht umhin, sich mit der deutschen Geschichte konfrontiert zu sehen. Vom Kaiserreich, der Weimarer Republik, dem "Dritten Reich" - bis zur Bundesrepublik Mitte der 1970er Jahre. Denn der 1899 in Dresden geborenen Erich Kästner starb 1974 in München. Zwischendurch lebte er sehr viele Jahre in Berlin.
Und genau das tat gestern im PUK Wolfram Frommlet, indem er Textpassagen aus der Ende der 1950er Jahre erschienenen Autobiografie Erich Kästners vorlas. Sehr eindringlich nahm er uns dabei mit zur Bücherverbrennung der Nazis, wo Kästner der einzige anwesende "verbrannte Dichter" war und auch fortan wie viele andere mit Schreibverbot belegt wurde und nur noch für die Schweiz publizierte. Er nahm uns auch mit zu den "Nürnberger Prozessen", wo Göhring in seiner Generalsuniform - jedoch ohne irgendein Abzeichen - wie ein Gärtner dasaß und freundlich lächelte, wenn er zu etwas gefragt wurde. Oder Hess, dessen Kopf kleiner als sonst schien, dafür aber seine Augenbrauen umso bedrohlicher.
Und dann las Frommelt das wohl bekannteste "Gedicht" Kästners vor, welches aus insgesamt sieben Strophen besteht. Es stammt aus dem Jahre 1927 und ist bis heute aktuell (siehe deutsche Kanonen für die Ukraine).
Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
Dort stehn die Prokuristen stolz und kühn
in den Büros, als wären es Kasernen.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges, angesichts der Aufrüstung der Bundesrepublik Deutschland, so Frommlet, stellt Erich Kästner fest, "dass die Zukunft wieder einmal nicht begonnen hat". Statt eines Neuanfangs doch nur wieder Restauration.
Nach der Veranstaltung sagte mir Wolfram, dass er den Kontrast "Chor/Lesung" keinesfalls als störend empfand und auch eine Zuschauerin war mir gegenüber derselben Meinung. Und auch ich empfand das "Wechselbad" wohltuend. Ich fragte Wolfram noch, ob er was dagegen hätte, wenn ich dem Bericht über den gestrigen Abend, ein von mir vertonten und gesungenen Text (You Tube) von Erich Kästner anhängen darf. Er hatte nichts dagegen.
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https://www.youtube.com/watch?v=lCQlb91d0Qg