"Hindenburg" und die oberschwäbisch/deutsche Heuchelei aus Bonn und Berlin. - "Verdienste" statt Verderben und Nährboden für die ewigen Faschisten ...
auffällig oft meldet sich in der Ravensburger Kommunalpolitik in den vergangenen Monaten die Fraktion der "Bürger für Ravensburg", jene die etwa zum gleichen Zeitpunkt vermeldete, sie würde bei den kommenden Kommunalwahlen (heute in vier Monaten) nicht mehr antreten. Wiederum in dieser Zeit Sommer/Herbst 2023 wurde mit medialer Unterstützung deren langjähriger und um die "Erinnerungskultur" sehr verdienter Stadtrat Krauss, welcher aus gesundheitlichen Gründen an der Fraktionsarbeit nicht mehr teilnehmen konnte, politisch niedergemacht, bis dahin dieser würde Unwahrheiten verbreiten. Auch der äußerlich glänzende OB Dr. Daniel Rapp hielt es nicht für angebracht, dem dienstältesten Stadtrat und Historiker Wilfried Krauss für seine zurückliegende Arbeit zu danken.
Wilfried Krauss war es auch, der als erster die Umbenennung der Ravensburger "Hindenburgstraße" forderte. Doch nichts dergleichen geschah, denn ein gezwungen angebrachtes "Steigbügelhalterschildchen" am Straßennamen ist nicht das "Gleiche" und schon gar nicht "das Selbe".
Im September 2023 wagte ich per Petition an die drei Bürgermeister den Versuch, diesen unheilvollen Namen aus der Ravensburger Geschichte zu tilgen, so wie es gleich nach dem Krieg auch mit dem Ravensburger "Adolf-Hitler-Platz" geschah, der bis heute "Marienplatz" genannt wird. Nun stellen Sie sich vor, damals hätte ein Ravensburger Politiker dagegen einen Einwand gehabt und zwar mit folgendem langatmigen Argument:
„Ich würde aber auf Umbenennungen verzichten, denn auch Hindenburg ist Teil unserer Geschichte. Und unsere Vorfahren haben es für gut befunden, eine wichtige Straße nach dem General und Reichspräsidenten zu benennen. Es wäre ins Bewusstsein zu heben, weshalb. Wir können unsere Geschichte nicht verbiegen und uns eine weiße Weste überstülpen. Wem man in Ravensburg gedenken sollte, muss man sorgfältig prüfen.“ ("Schwäbische Zeitung" vom 9.Februar 2024)
Ja richtig - wie Sie dem blau unterlegten Link entnehmen können, stammt das Zitat aus der unmittelbaren Gegenwart, der Zeit, wo Migrant/innen, Menschen mit Behinderungen, aber auch alle echten Demokragten und Antifaschisten mit Sorge aber auch mit Demo-Mut angesichts der rechtsradikalen Kräfte in die Zukunft schauen.
Ja, Hindenburg ist Teil unserer Geschichte insofern, dass er nie ein Demokrat, sondern ein Monarchist war und den Gefreiten aus Österreich gegen alle politische Vernunft und Mehrheiten in das Amt eines Reichskanzlers gehievt hat.
Als Reichspräsident Friedrich Ebert am 28. Februar 1925 im Alter von 54 verstorben war, gab es anschließend acht Kandidaten für dieses Amt, von denen aber niemand die erforderliche Mehrheit erringen konnte. Die rechten Parteien drängten Paul von Hindenburg, sich für die Wahl aufstellen zu lassen, obwohl dieser schon 77 Jahre alt war. Das Wahlgesetz erlaubte es, Kandidaten aufzustellen, die im ersten Wahlgang gar nicht angetreten waren. Am 26. April wurde Hindenburg im zweiten Wahlgang mit 48,3 Prozent der Stimmen zum neuen Reichspräsidenten gewählt. Die Befürchtung im linken und bürgerlichen Lager, dass Hindenburg nun antirepublikanisch handeln würde, waren groß. Auch im Ausland war die Wahl nicht begrüßt worden. Offen gegen die Republik agierte Hindenburg indes nicht. Aber er war kein Demokrat und in Streitfragen, wie z. B. der um den Bau des Panzerkreuzers A, stand Hindenburg auf Seiten der konservativen Parteien.
Paul von Hindenburg wurde so etwas wie ein Ersatzkaiser für das deutsche Volk. Sein Abbild prangte auf zahlreichen Gebrauchsgegenständen, nach ihm wurden unzählige Dinge benannt. Seit Hitler bei der Novemberwahl 1932 zwei Millionen Stimmen verloren hat, reicht dessen Massenbasis für die Kanzlerschaft nicht mehr aus. Die Nazis brauchten die Eliten, um an die Macht zu kommen. Die Konservativen dieser Zeit unterstützten ohnehin mehr oder weniger das, was die Nazis selber wollten: Abschaffung der Demokratie, Zerschlagung der Linken, Einführung der Diktatur. Das alles ist auch Hindenburg damals sehr wohl bekannt und bewusst gewesen .
An dieser Stelle muss mit dem "Mythos Hindenburg" und dem damit weit verbreiteten Narrativ eines zuletzt geistig und körperlich verfallenen Greises, der in seinen letzten Lebensjahren unter fremdem Einfluss gestanden hatte, aufgeräumt werden. Hindenburg traf alle politischen Entscheidungen bis kurz vor seinem Ableben bei klarem Verstand. Auch die zahlreichen politischen Morde, die im Auftrag seines Reichskanzlers Hitlers verübt wurden, hat Hindenburg ausdrücklich verteidigt und gutgeheißen. Als Hindenburg im August 1934 starb, war er 86 Jahre alt und schon etwas länger als neun Jahre im Amt des Reichspräsidenten.
Als Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933 Adolph Hitler ohne politische Not zum Reichskanzler ernannte, zog anschließend nicht nur dessen Sturmabteilung SA durch das "Brandenburger Tor", sondern auch der "Stahlhelm", der Kampfverband der Nationalkonservativen, marschiert mit - mit Hitlergruß. Was am 30. Januar 1933 geschehen ist, war keine "Machtergreifung" oder "Machtübernahme" der Nazis, sondern es war eine ganz bewusste Machtübergabe demokratiefeindlicher Mächte an einen Diktator - durch Paul von Hndenburg.
Die Nazis nutzen die Chance. Sie bauen ihre Macht mit Propaganda und Terror aus. Beim letzten Wahlkampf der Weimarer Republik verspricht Hitler am 10. Februar 1933 im Berliner Sportpalast ein neues Deutsches Reich "der Größe und der Ehre und der Kraft und der Herrlichkeit und der Gerechtigkeit. Amen!" Nach dem Reichstagsbrand Ende Februar werden die Grundrechte faktisch abgeschafft, Kommunisten und Sozialdemokraten verfolgt. Göring kündigt am 3. März 1933, zwei Tage vor der Wahl, unverhohlen Mord an: "Hier habe ich nur zu vernichten und auszurotten, weiter nichts!" Obwohl die Wahl nicht mehr wirklich frei ist, bleibt die NSDAP mit 44 Prozent der Stimmen unter den Erwartungen. Zusammen mit der verbündeten Deutschen Volkspartei erreicht sie aber eine knappe Mehrheit.
Um im neuen Reichstag sein Ermächtigungsgesetz durchzubringen, muss Hitler tricksen: Der Reichstag soll sich selbst entmachten. Hitler braucht dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Alle KPD-Abgeordneten sitzen bereits in den Folterkellern der SA oder sind untergetaucht. Ihre Sitze werden kurzum gestrichen. Die verbliebenen Parteien stimmen dafür - auch Katholiken und Liberale, unter ihnen der spätere Bundespräsident Theodor Heuss. Nur die 94 SPD-Abgeordneten halten weiter an der Demokratie fest. Vergeblich: Es folgen Aufrüstung, Krieg und Völkermord - es folgte der 1. September 1939 - vor genau 84 Jahren mit dem verbrecherischen und lügenbedeckten "Polenfeldzug" in den Zweiten Weltkrieg.
DAS !! sind die Fakten, welche dem Narrativ des um Deutschland verdienten Hindenburg krass entgegenstehen.
Wer die "Hindenburgstrasse" duldet, muss auch den Marienplatz zurückbenennen. Denn auch Hitler - fragte man/frau nach und würden die alten Faschisten und jungen Faschos ehrlich antworten - hatte seine "Verdienste". Welche Verdienste - so frage ich den Wortführer der "Bürger für? Ravensburg", Herrn Dr. Höflacher, hatte denn Paul von Hindenburg für Deutschland? Welche? Ich bitte um eine Aufzählung!
Dieses widersprüchliche (diplomatisch von mir ausgedrückt) Verhalten der hiesigen aber auch der bundesweiten Politik und diese seit 1949 zögerliche und lückenhafte Aufarbeitung einer Zeit, die es "nie wieder" geben darf, ist der Nährboden für das, was wir heuer vorfinden. Das ist die deutsche Heuchelei aus Bonn und Berlin.
Apropos: Der Ravensburger Politiker (siehe oben) meint noch: "Wir können unsere Geschichte nicht verbiegen und uns eine weiße Weste überstülpen."
Aber genau das tun "wir" indem wir uns Ravensburger weigern, die schöne "Grüner-Turm-Straße" samt Plösser-Imbiss auf der ehemaligen jüdischen Synagoge, in die "Judengasse", wie sie bis Nazi-1934 hieß, zurück zu benennen. Das ist die deutsche DNA, das sind - sorry - die "teutschen" Gene, von denen ich vor wenigen Tagen schrieb.
Zur ErinnerungAm 8. September 2023 berichtete ich auf diesem Blog von einem Gespräch, dass ich am Rande einer der guten PUK-Verantaltungen führte. Da wurde ich gefragt, was denn aus meiner Petition zur "Umbenennung der Ravensburger Hindenburgstrasse" geworden sei und wie viele Menschen diese inzwischen unterschrieben hätten. Tja, meinte ich, bisher sind es nur fünfzehn (15), worauf ich ein heftiges Kopfschütteln erntete. Aber, so fügte ich schnell und entschuldigend hinzu, meine Petition zur Absetzung der bellizistischen und trivialen Fernsehsendung "Hart aber fair" vom 1. März 2023, habe bereits über 4.000 Unterschriften.Gegenüber meinem Gesprächspartner meinte ich, dass es ja eigentlich die Aufgabe des Gemeinderats wäre, ein solches Anliegen dem Oberbürgermeister vorzutragen. Oder es sollte jemand tun, der - im Gegensatz zur mir - in Ravensburg "einen Namen" oder zumindest einen guten Ruf hat. Vielleicht - so fabulierte ich weiter - könnte jener Stadtrat mit den schlohweißen Haaren (CDU) es tun, dessen sonstige Forderungen und Beschwerden an den Oberbürgermeister, gefühlt "Woche für Woche", in der Zeitung abgedruckt werden und durchaus auch manchmal erfolgreich sind.
"Niemals würde der das im Falle der Umbenennung der "Hindenburgstrasse" tun, mischte sich da ein Nebensteher ein. "Na ja," meinte ich da spontan und frech und satirisch: "Wenn aber diese Straße dann die "Rolf-Engler-Straße" heißen sollte, dann schon, oder?!"
Da bleibt einem zwar das Lachen im Halse stecken, denn in jeder wirklichen Satire stecken gleich mehrere Fünkchen der Wahrheit. Denn gerade die CDU ist es oft, welche die Straßen-Namensänderungen kriegsträchtiger Protagonisten der Vergangenheit ablehnen und sich auch mit Gedenktafeln der Nazivergangenheit schwertun. [Anmerkung heute: Ganz offensichtlich aber auch die "Bürger für Ravensburg ohne Wilfried Krauss".]
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Die Petition vom 31.8.2023 ist gerichtet an
a) Oberbürgermeister der Stadt Ravensburg, Herr Dr. Daniel Rapp
b) Gemeinderat der Stadt Ravensburg
c) Erster Bürgermeister Herr Simon Blümcke
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Unterzeichner/innen dieser Petition fordern Sie bittend dazu auf, die Ravensburger "Hindenburgstrasse" (circa 800 Meter lang) zeitnah umzubenennen. Uns ist ehr bewusst, dass es viele Argumente Ihrerseits dagegen gibt. Jedoch gibt es ein (1) Argument, welches eine Strasse mit diesem Namen zu Recht brandmarkt: Paul von Hindenburg als deutscher Reichspräsident (1925 bis 1934) war kein Demokrat, sondern ein Monarchist mit stark "rechten" Tendenzen. Mit der Ernennung Hitlers am 30. Januar 1933 wurde er wissentlich der Steigbügelhalter des deutschen Faschismus bis hin zum Mitverantwortlichen der 70 Millionen Toten des 2. Weltkrieges und verantwortlich für den Holocaust.
Die Beibehaltung des Namens "Hindenburgstrasse" ist nach unserem humanistischen Verständnis, eine versteckte Duldung des faschistischen Gedankenguts in der Gegenwart und eine Verharmlosung der Auswirkungen selbigen! BITTE setzen sie ein Signal gegen diese Gleichgültigkeit.
Im Namen der Mitpetent/innen und mit Respekt und Freundlichkeit,
Stefan Weinert, Ravensburg
Außerparlamentarisch tätig - im Sinne des Deutschen Grundgesetz
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2 Kommentare - "Hindenburg" und die oberschwäbisch/deutsche Heuchelei aus Bonn und Berlin. - "Verdienste" statt Verderben und Nährboden für die ewigen Faschisten ...
Ach ja und noch etwas: ein anderer Steigbügelhalter war Franz von Papen, ein Politiker am rechten Flügel der christlichen Zentrumspartei, also der weimarer Vorläuferpartei der CDU (die übrigens ebenso wie die Vorläuferpartei der FDP für Hitlers Ermächtigungsgesetz stimmten. Papen war kurzzeitig Reichskanzler und hatte durchaus Einfluss auf Hindenburg. Auch machte er Hitler bei den rheinischen Grußindustriellen, den sogenannten „Schlotbaronen“ salonfähig, da er Hitler als Garant für die Zerschlagung von SPD und KPD anpries.
Ales in Allem: Es sollte keine Straße den Namen Hindenburgs tragen.