Kommunikation und Strategie der AfD: Provozieren - polarisieren - normalisieren // Das Momentum nutzen und "gegen Rechts" dranbleiben ...
Neuartige Kommunikation in der deutschen Politik
„Faktisch hat die AfD eine neuartige Form der Propaganda in der deutschen Politik etabliert“, schreibt der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje bereits 2017 in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“. Die „Propaganda 4.0“, wie Hillje sie nennt, beruht demnach auf vier Elementen:
- Delegitimierung der etablierten journalistischen Medien
- Aufbau und Etablierung eigener parteinaher Medienkanäle
- Ausbildung einer kollektiven Identität beziehungsweise rechtspopulistischen Parallelgesellschaft
- extreme Polarisierung im öffentlichen Diskurs
Bei Medienformaten, in denen die AfD keine unmittelbare Kontrolle über die Inhalte hat, etwa bei Berichten über Parteitage, agiert die Partei restriktiv. Etwa durch den Ausschluss bestimmter Medien und/oder Journalisten. Zugleich beklagen AfD-Vertreter regelmäßig, von den klassischen Medien ausgegrenzt beziehungsweise falsch dargestellt zu werden. Damit einher geht der Versuch, etablierte Medien zu diffamieren, etwa durch Skandalisierung oder die Bezeichnung als „Lügenpresse“. Ein Schlagwort, das bereits die Nationalsozialisten zur Diffamierung unabhängiger Medien nutzten.
AfD über Rundfunk Die AfD will „schlanken Bürgerfunk“
Explizit richtet sich die Kritik der AfD gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Laut einem Konzept der Partei aus dem Jahr 2017 sollen ARD und ZDF aufgelöst und privatisiert werden. Für deren Programme soll dann nur bezahlen müssen, wer sie auch tatsächlich nutzt. Auf dem vom Recherchenetzwerk Correctiv bekannt gemachten Geheimtreffen von Vertretern der Neuen Rechten und der AfD im vergangenen November soll über eine Musterklage gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesprochen worden sein.
Etablierung parteinaher Medienkanäle
Um volle Kontrolle über die eigenen Botschaften zu haben und unabhängig von der Berichterstattung etablierter Medien zu sein, hat die AfD inzwischen ein Netzwerk aus eigenen Kanälen in den sozialen Medien aufgebaut: Instagram, Tiktok, Twitter, Youtube, Facebook, Telegram. Sowohl die Partei, Fraktionen, wie auch Abgeordnete selbst wollen in diesen Kanälen direkt und ungefiltert mit Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren.
Im Vergleich zu den anderen Parteien, die im Bundestag vertreten sind, ist die AfD viel besser aufgestellt.Ber eits bei der vergangenen Bundestagswahl machte die AfD Wahlkampf fast ausschließlich in ihren eigenen digitalen Echoräumen. „Die AfD ist selbst zum Massenmedium geworden in den sozialen Medien“, stellte Hillje schon damals fest. Inzwischen hat die Partei ihre Medienstrategie weiter vorangetrieben. So betreibt die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag etwa einen eigenen Social-Media-Newsroom mit improvisiertem Fernsehstudio.
391.000 Abonnenten hat der Youtube-Kanal der AfD-Fraktion insgesamt. Zum Vergleich: Die SPD-Fraktion kommt bei Youtube auf weniger als 4.000 Abonnenten, die Unionsfraktion auf knapp 5.000. Mehr und mehr läuft die direkte Ansprache der AfD an die eigene Anhängerschaft allerdings nicht nur über Youtube, sondern vor allem über TikTok.
Bei der vor allem unter den 14 bis 19-Jährigen beliebten Video-App hat die AfD-Fraktion auf ebenfalls 391.000 Follower. Zum Vergleich: Die SPD-Fraktion kommt auf gerade mal 112.000 Abonnenten. Der Fokus auf Social Media verändert bei der AfD in Teilen sogar die Art und Weise, wie im Parlament gesprochen wird. AfD-Abgeordnete schreiben ihre Reden genau so, dass es auf TikTok verwendet werden kann. Es gehe darum, „knackiges Material für Social Media zu produzieren“, räumte der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Götz Frömming, ein.
Für die Rekrutierung neuer Anhänger ist außerdem Instagram ein wichtiges Medium, wie eine Recherche des Netzwerks Correctiv aus dem Jahr 2020 zeigte. So ist etwa die Jugendorganisation der AfD, die Junge Alternative (JA), auf Instagram aktiv.
„Dort wird sehr viel mit gut bearbeiteten Fotos gearbeitet von jungen und attraktiven Mitgliedern der JA“, berichtete Arne Steinberg, Reporter bei Correctiv, damals bei Dlf Nova und: „Uns hat ein Vorstandsmitglied der JA Berlin bestätigt, dass der Landesverband mittlerweile so knapp die Hälfte der Neuzugänge eben über Instagram gewinnt.
„Wir gegen die“ – dieses von Populisten überall auf der Welt genutzte Schema verwendet auch die AfD. „Das ist die Unterscheidung zwischen uns hier und denen dort. Alles Übrige ergibt sich aus dieser Grundgrenzziehung“, erklärt der Literaturwissenschaftler Heinrich Detering. „Wir hier sind die Guten, die Richtigen, die immer schon da waren, die das Recht haben, sich auch aggressiv zu verteidigen. Die anderen sind grundsätzlich Bedrohung.
Die Auffüllung dieses Schemas sei erstaunlich variabel. Entscheidend sei nur, dass bei denen, die angesprochen werden, dieses nach außen hin abgeschottete Gruppengefühl erzeugt werde. Im Osten setzte die Partei von Anfang an vor allem auf Ressentiments und Affekte gegen den Westen. Brandenburg und Sachsen stellte sie dabei als das vermeintlich „bessere Deutschland“ dar: ein angeblich unverstelltes Deutschland, in dem Heimat und Patriotismus noch zählen. Die AfD beschwor eine angeblich spezielle ostdeutsche Identität und hatte damit Erfolg.
Um ein Gemeinschaftsgefühl nach innen zu schaffen, werden die eigene Anhängerschaft und potenzielle Wähler direkt angesprochen – „wir“, „unser“, „uns“ – und immer wieder äußere Feindbilder konstruiert. Die anderen, die Gegner, das sind Migranten, die Medien, die Regierung, demokratischen Parteien und zivilgesellschaftliche Gruppen wie beispielsweise Klimaaktivisten – zusammengefasst: alle, die nicht das Gesellschaftsmodell und die kulturellen Vorstellungen vertreten, wie sie in die AfD vertritt.
Letztlich zielt die Kommunikationsstrategie der AfD auf eine extreme Polarisierung des öffentlichen Diskurses. Dies gelingt unter anderem durch die konfrontative Gegenüberstellung von „Wir gegen die anderen“. So macht die AfD etwa inzwischen „Klimaschutz zum Kulturkampf, indem sie die Klimapolitik als Bedrohung für den vermeintlich typisch deutschen Lebensstil an die Wand malt“, erläutert Kommunikationsberater Hillje. „Und diesen typisch deutschen Lebensstil, den buchstabiert sie anhand von Schlagworten wie Diesel, Schnitzel, Billigflug und so weiter aus.“
Dabei bedient sich die AfD zumeist keiner sachlichen Argumente, sondern oft vereinfachender affirmatorischer (positive Wertung und Zuordnung) Behauptungen, falscher Fakten, Falschnachrichten und negativer Schlagworte mit denen provoziert und Emotionen wie Wut und Empörung aktiviert werden sollen: Die anderen Parteien wollen Deutschland zugrunde richten, die „Ökodiktatur“ etablieren, eine „Umvolkung“ herbeiführen, das deutsche Volk abschaffen. Ziel der Kommunikation ist nicht ein diskursiver Austausch, sondern die Delegitimierung des politischen Gegners.
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