"Stolz, ein demokratischer Deutscher zu sein!"
Stefan Weinert
Meine Eltern heirateten 1946 in der Lutherstadt Wittenberg, zogen es dann aber doch vor, aus ihrer östlichen Heimat in den Westen zu gehen. Sie waren also Migrant/innen und landeten in einem kleinen Dorf, nahe der Stadt Schleswig (30 Kilometer bis Flensburg und Grenze zu Dänemark). Dort in Schleswig wurde ich Ende 1951 geboren.
Obwohl mein Vater lange Zeit während des zweiten Weltkrieges als Soldat in Dänemark stationiert war, so war er dennoch immer ein überzeugter Antifaschist und Hitler-Gegner - das gilt natürlich auch für meine Mutter - und war (so erzählte er es uns fünf Geschwistern) knapp der GESTAPO entkommen.
Durch meine Prägung im Elternhaus und die bundesdeutschen Ereignisse ab den 1960 Jahren, brachte ich es bis dato nie über die Lippen zu sagen, ich sei "stolz, ein Deutscher zu sein" - nicht einmal zu denken, habe ich es gewagt. Wenngleich ich immer (bis dato) froh war, in Deutschland leben zu dürfen. Aber stolz? Nein - vor allem seit den 1990 Jahren und vor allem seit 2015, wo die faschistischen Kräfte und auch die Kanonen im vereinten Deutschland wieder "aufblühen" und die Kanonen übrigens auch (Kästner).
Doch was in den zurückliegenden Tagen und Wochen auf deutschen Straßen und Plätzen und in den Medien geschieht, lässt mich doch sukzessive stolz werden. Allerdings will ich den oben nie ausgesprochenen und gedachten Satz ein wenig modifizieren; für mich ab 2024 gilt:
ICH BIN STOLZ, EIN DEMOKRATISCHER DEUTSCHER ZU SEIN.
Ehrlich gesagt, hätte ich diesen Satz eigentlich schon immer so in dieser Formulierung aussprechen können. Wenn ich denn drauf gekommen wäre. Denn schon immer war ich ein überzeugter Demokrat - wenn auch ein "linker", aber ein Demokrat, der das Deutsche Grundgesetz ernst nimmt - sehr ernst nimmt. Vor allem den Teil mit "das Volk ist der Souverän".
Aber stellen Sie sich vor, ich hätte diesen Satz vor drei Jahren ausgesprochen, oder vor sieben Jahren, als ich unabhängiger Bundestagskandidat war? Mag sein, es hätte mir ein paar Stimmen mehr gebracht, und statt auf Platz 17 von 22 Parteien, wäre ich bei Platz 15 gelandet. Doch bei vielen Mitbürger/innen hätte es einen Aufschrei gegeben: "Wir sind doch ALLE Demokraten!! - und ich wäre völlig "abgekackt".
Mitnichten waren und sind es ALLE, die Demokraten sind! Doch die Erkenntnis kommt recht (!) spät. Erich Kästner sagt nach dem Krieg, man hätte schon 1928 gegen die Rechten öffentlich angehen müssen. 1933 war es zu spät. Hoffen wir, dass sich dieses "zu spät" nicht wiederholt.
Übrigens bin ich festen Glaubens (!), dass die AfD nicht den Mut haben wird, im Kreis und in der Stadt Ravensburg mit einer eigenen Liste bei den Kommunalwahlen am 9. Juni 2024 anzutreten. Denn keiner von uns, keiner, will, dass es noch einmal notwendig ist, "Schindlers Liste" zu erstellen. KEINER!
Und wenn doch und mein Glaube micht getäuscht hat, dann werden in Ravensburg 20.000 Demokraten auf die Straße gehen: "AfD - nee!"
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