Von "Wannsee 1942" bis "Villa Adlon 2023" - Weil den "Anfängen" nicht "gewehrt" wurde ...
Von Stefan Weinert
Reichsmarschall Hermann Göring hatte im Juli 1941 bei Reinhard Heydrich angefordert, einen "Gesamtentwurf über die organisatorischen, sachlichen und materiellen Vorausmaßnahmen zur Durchführung der angestrebten Endlösung der Judenfrage" zu entwerfen. Die sogenannte "Endlösung" war zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossen. Allerdings war sie "geheime Reichssache" – Reichskanzler Adolf Hitler wollte öffentlich nicht eindeutig mit ihr in Verbindung gebracht werden – und ihre Umsetzung war noch unklar.
Heydrich, Chef des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA), hatte sich zum Thema "Endlösung der Judenfrage" schon seit Jahren innerhalb der NS-Führung hervorgetan und auch nach Kriegsbeginn mehrere Schriften dazu verfasst. Nun sollte "die Judenfrage in Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechend möglichst günstigen Lösung" zugeführt werden *), wie Göring an Heydrich schrieb – eine Aufgabe, die dieser bereits 1939 übertragen bekommen hatte. Für den 20. Januar 1942 lud Heydrich zu einer Staatssekretärskonferenz in das Gästehaus der SS am Großen Wannsee (Berlin), um die ihm übertragene Aufgabe mit Regierungsbeamten aus anderen Ministerien abzustimmen. 14 führende Ministerialbeamte aus verschiedenen Reichsministerien sowie hohe NSDAP- und SS-Funktionäre folgten Heydrichs Einladung.
- Dass sich solche Gedanken und Planungen 81 Jahre nach "Wannsee" in Deutschland re-aktivieren, diesmal bezogen auf die nach Deutschland migrierten Menschen bis in die dritte und vierte Generation, selbst mit Besitz des deutschen Passes, samt auch all derer, die sich für sie einsetzen (also auch der Blogger), hat wohl nur der/die für möglich gehalten, welche die AfD - als Spitze des eiskalten Fremdenhasses - seit 2015 als ernst zu nehmende Gefahr für Freiheit, Vielfalt und Demokratie eingeschätzt hat - siehe hier zum Beispiel. Leider gehörten dazu nicht jene, die es hätten wissen müssen.
Der Völkermord an den europäischen Juden hatte bereits im Juni 1941 mit dem Überfall auf die Sowjetunion begonnen. Dort führten mobile Einsatztruppen der SS-Massenerschießungen und – ab Dezember 1941 – Vergasungen von Juden durch. Allein bei dem Massaker in dem nahen Kiew gelegenen Schlucht Babi Jar wurden an zwei Tagen im September 1941 über 33.000 Menschen getötet. Auch Deportationen in den Zügen der Deutschen Reichsbahn waren schon im Oktober 1941 angelaufen. Zum Zeitpunkt der Konferenz am Wannsee waren bereits über eine halbe Million Menschen ermordet worden.
Die bisher hauptsächlich praktizierten Erschießungen wurden für zu kostenintensiv und langwierig befunden. Deswegen wurden im Herbst 1941 zum ersten Mal mobile Gaswagen – umgerüstete LKWs – zur schnellen und systematischen Tötung großer Zahlen von Menschen eingesetzt. Das von Heydrich auf der Wannseekonferenz vorgestellte Programm war also in den besetzten Gebieten und Konzentrationslagern im Osten schon größtenteils in die Tat umgesetzt.
Auf der Konferenz machte Heydrich den Anwesenden noch einmal die ihm übertragenen Kompetenzen deutlich: die Verantwortung zur "Endlösung der europäischen Judenfrage" lag bei ihm. Das Treffen hatte er einberufen, um eine Koordinierung und Abstimmung zwischen den Behörden zu erleichtern.
Die Teilnehmenden an der Wannseekonferenz . . .
. . . und was aus diesen Menschen wurde:
- Reinhard Heydrich (1904-1942), SS-Obergruppenführer, Hauptredner und Vorsitzender der Wannseekonferenz, wurde am 27. Mai 1942 bei einem Attentat in Prag schwer verletzt und starb am 4. Juni 1942. Als Leiter des Reichssicherheitshauptamtes und stellvertretender Reichsprotektor in Böhmen und Mähren war er für zahlreiche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich.
- Adolf Eichmann (1906-1962), SS-Obersturmbannführer, Protokollführer der Wannseekonferenz. Als Leiter des Eichmannreferats des Reichssicherheitshauptamtes war er zentral mitverantwortlich für die Ermordung von sechs Millionen Menschen. Mit Hilfe des österreichischen Bischofs Hudal gelang ihm über die Rattenlinie die Flucht nach Südamerika. 1960 wurde er von israelischen Agenten von Argentinien nach Israel verbracht, wo ihm der Prozess gemacht wurde, er zum Tode verurteilt und im Mai 1962 hingerichtet wurde.
- Josef Bühler (1904-1948), Staatssekretär im Amt des Generalgouverneurs in Krakau, 1948 wegen seiner Kriegsverbrechen von einem polnischen Gericht zum Tode verurteilt und am 21.08.1948 hingerichtet
- Roland Freisler (1893-1945), Staatssekretär im Reichsjustizministerium, seit August 1942 Präsident des Volksgerichtshofes, kam am 3.2.1945 während eines schweren Luftangriffs auf Berlin ums Leben
- Otto Hofmann (1896-1982), SS-Gruppenführer, Chef des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS), im März 1948 wurde er im Prozess gegen das Rasse- und Siedlungshauptamt zu 25 Jahren Haft verurteilt, jedoch am 7. April 1954 begnadigt und aus der Haftanstalt Landsberg entlassen.
- Gerhard Klopfer (1905-1987), SS-Oberführer, Ministerialdirektor in der Parteikanzlei der NSDAP, Leiter der Staatsrechtlichen Abteilung III. Nach der Entlassung aus dem Internierungslager wurde Klopfer 1949 durch eine Nürnberger Hauptspruchkammer für „minderbelastet“ erklärt. Er erhielt eine Geldstrafe und eine dreijährige Bewährungsfrist, während der er keine verantwortungsvolle berufliche Tätigkeit aufnehmen durfte. Ab 1952 war er dann Helfer in Steuersachen, und ab 1956 als Rechtsanwalt in Ulm tätig.
- Friedrich Wilhelm Kritzinger (1890-1947), Ministerialdirektor in der Reichskanzlei, im Dezember 1946 inhaftiert, wurde er kurze Zeit später aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen und verstarb tatsächlich kurze Zeit später
- Rudolf Lange (1910-1945), SS-Sturmbannführer, Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für Lettland in Vertretung seines Befehlshabers, Suizid 1945
- Georg Leibbrandt (1899 – 1982), Reichsamtsleiter, Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete, neben Rosenberg wichtigster NS-Ideologie im außenpolitischen Amt der NSDAP, im Januar 1950 wurde das Verfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth eröffnet, am 10. August 1950 wurde das Verfahren eingestellt. Später wurde er Leiter des Bonner Büros der Salzgitter AG
- Martin Luther, (1895 – 1945), Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, am 13. Mai 1945 durch Herzinfarkt verstorben
- Alfred Meyer (1891 – 1945), Staatssekretär im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete), begann am 11. April 1945 Selbstmord
- Heinrich Müller (1900 – ???), SS-Gruppenführer, Chef des Amtes IV (Gestapo) des Reichssicherheitshauptamtes, seit Kriegsende verschollen
- Erich Neumann (1892 – 1951), Staatssekretär im Amt des Beauftragten für den Vierjahresplan, 1945 wurde er interniert, Anfang 1948 wegen Krankheit entlassen.
- Karl Eberhard Schöngarth (1903 – 1946), SS-Oberführer, Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Generalgouvernement. 1946 wurde er von einem britischen Militärgericht wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt und 16.05.1946 hingerichtet.
- Wilhelm Stuckart (1902 – 1953), Staatssekretär im Reichsministerium des Innern. Stuckart wurde 1950 als „Mitläufer“ entnazifiziert eingestuft und zu einer Geldstrafe von 500 DM verurteilt. 1952 war er bereits Geschäftsführer des „Instituts zur Förderung der niedersächsischen Wirtschaft“. Auch war er eine Zeit lang Kämmerer der Stadt Helmstadt. Er verstarb 1953 im Alter von 51 Jahren bei einem Verkehrsunfall
Die Beispiele der Herren Stuckart, Leibbrandt, Klopfer oder Hofmann belegen (leider), wie wenig NS Täter oftmals in der jüngeren deutschen Nachkriegsgeschichte für ihre Taten zur Verantwortung gezogen wurden.
Im Protokoll des Treffens [das komplette Protokoll ist am Ende des Artikels im Anhang abgedruckt] wird – im üblichen NS-Jargon – klar ausgeführt, was mit den elf Millionen Juden in den von Deutschland kontrollierten Gebieten geschehen sollte. Ziel sei "die Zurückdrängung der Juden aus dem Lebensraum des deutschen Volkes". Bisher, so ist es im Protokoll vermerkt, habe man "rund 537.000 [Juden] zur Auswanderung (das ist ein Euphemismus für Mord] gebracht". Nun sei "anstelle der Auswanderung [...] als weitere Lösungsmöglichkeit [...] die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten".Einwände gegen die von Heydrich eingebrachten Vorschläge hatten die Konferenzteilnehmer keine. Im Gegenteil: Sie überboten sich gegenseitig mit Vorschlägen und Anregungen zur effizienten Durchführung der Vernichtungsaktionen. Weiteres Thema war die Behandlung sogenannter "Mischlinge" und jüdischer Partner in "Mischehen": Hier forderten die anwesenden Beamten eine Zwangssterilisierung sowie die Ausdehnung der Nürnberger Gesetze. Auch diese Personengruppen sollten in die "Endlösung" einbezogen werden.
Protokollführer des Treffens war Adolf Eichmann, "Judenreferent" im Reichssicherheitshauptamt. Im Prozess gegen Eichmann in Jerusalem 1961 erinnerte sich dieser an die Wannseekonferenz als "die Konferenz, wo Heydrich seine Ermächtigung bekanntgab". Auch seien "verschiedene Tötungsmöglichkeiten" besprochen worden. Unter den Teilnehmern habe allgemein "freudige Zustimmung" geherrscht.
Von Historikern wird die Konferenz im Detail unterschiedlich eingeordnet. Bis heute diskutieren Fachkreise über die tatsächlichen Motive der einzelnen Teilnehmer und die Bedeutung der Konferenz für den Verlauf des Holocaust.
So beschreibt der Historiker Mark Roseman die Konferenz als den Moment des Übergangs vom "Massenmord zum Genozid". Zwar hätten zum Zeitpunkt der Konferenz die Mordmethoden und die Orte noch nicht festgestanden, dennoch sei die Entscheidung für die systematische Ermordung der europäischen Juden definitiv beschlossen worden.
Manche Wissenschaftler wie z. B. der britische Historiker Donald Bloxham betonen, es habe keinen entscheidenden Moment gegeben, in dem die Art und Weise der Durchführung der "Endlösung" fest geplant gewesen sei – sie sei vielmehr als Prozess zu begreifen. Die Konferenz sei vor allem im Zusammenhang mit den Machtkämpfen innerhalb der NS-Verwaltung von Bedeutung.
Der Historiker Peter Longerich weist darauf hin, dass das Morden bereits vor der Wannseekonferenz begonnen hatte. Auf der Wannseekonferenz hätten die nationalsozialistischen Machthaber jedoch aus diesen Massenmorden ein Programm gemacht. Im Protokoll der Konferenz sieht der Historiker zudem zwei rivalisierende Linien in der Vernichtungsplanung und spricht von einem Kompetenzgerangel zwischen Heydrich und Heinrich Himmler, dem Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei.
Die Ergebnisse und Beschlüsse der Konferenz wurden bald in die Tat umgesetzt. Noch im Januar 1942 trug Adolf Eichmann in einem Schreiben allen Dienststellen im Deutschen Reich auf, die seit Oktober 1941 laufenden Deportationen fortzusetzen – die "Endlösung" habe nun begonnen. Kurze Zeit später wurden im Konzentrationslager Auschwitz die Gaskammern errichtet. Ab März 1942 trafen die ersten großen Transporte mit Juden ein. Allein in Auschwitz ermordete die SS über eine Million Menschen. Insgesamt wurden bis Kriegsende in den Vernichtungslagern und bei Massakern über sechs Millionen Juden ermordet.
Die sogenannte „Judenfrage“ war in der nationalsozialistischen Weltanschauung von zentraler Bedeutung. Nach der menschenverachtenden Rassenide
Diese Judenfeindschaft, die man nach einem im 19. Jh. geprägten Begriff auch als Antisemitismus bezeichnet, führte schon seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 zu fortgesetzten Diskriminierungen und zur gesellschaftlichen Ausgrenzung der Juden.
Chronologie des Verbrechens gegen die Juden in Deutschland bis zum Beginn des Krieges | ||
1933 | ||
1. April | Eintägiger Boykott jüdischer Geschäfte in Deutschland. Die Aktion richtete sich auch gegen jüdische Ärzte und Rechtsanwälte sowie gegen den Besuch von Schulen und Universitäten durch Juden. | |
7. April | Zulassungsbeschränkung für jüdische Studenten an Hochschulen; „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“; Entlassung von Juden aus dem Staatsdienst. | |
22. September | Ausschluss der Juden aus dem gesamten Kulturleben (Literatur, Musik, bildende Künste, Funk Theater, Presse) | |
1935 | ||
21. Mai | Wehrgesetz: „arische Abstammung“ Voraussetzung zum Wehrdienst. Im Sommer nehmen die Schilder mit der Aufschrift „Juden unerwünscht“ an Ortseingängen an Geschäften und Restaurants zu. | |
15. September | Verkündung der ,Nürnberger Gesetze' auf dem Nürnberger Parteitag der NSDAP: Den Juden wurden zu Staatsangehörigen zweiter Klasse. | |
14. November | Verordnung zum ,Reichsbürgergesetz': Aberkennung des Wahlrechts und der öffentlichen Ämter für Juden; „Verordnung zum Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“: Ehen zwischen Juden und Nichtjuden waren künftig verboten, außerehelicher Geschlechtsverkehr sollte als „Rassenschande“ bestraft werden; als Juden galten Personen mit mindestens drei jüdischen Großelternteilen oder solche, die der jüdischen Religion angehörten. Juden konnten nur Staatsangehörige sein, nicht aber Reichsbürger. | |
1938 | ||
1. April | Die neue Promotionsordnung setzt an Universitäten und Hochschulen den ,Ariernachweis' für alle Doktoranden voraus. | |
26. April | Verordnung über die Anmeldepflicht aller jüdischen Vermögen über 5000 RM. Rechtsgeschäfte von Juden mit „Ariern“ unterliegen einer besonderen Genehmigungspflicht. | |
25. Juni | Jüdische Ärzte in Deutschland dürfen nur noch jüdische Patienten behandeln. | |
23. Juli | Einführung einer Kennkarte für Juden ab 1. Januar 1939. Die Karte trug ein großes ,J' als besonderes Kennzeichen ab dem 15. Lebensjahr. | |
17. August | In Deutschlandmüssen jüdische Männer den zusätzlichen Vornamen „Israel“, jüdische Frauen den Vornamen „Sara“ tragen. | |
9.-10. November | Nach der Ermordung des deutschen Gesandtschaftsrats in Paris durch den 17-Jährigen HERSCHEL GRYNSZPAN fand in Deutschland und Österreich ein Judenpogrom statt; etwa 30 000 Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt. Zur Wiederherstellung des Straßenbildes und der zerstörten jüdischen Geschäfte und Gebäude mussten die Juden deutscher Staatsangehörigkeit eine ,Sühneleistung' von 1 Milliarde RM erbringen. Bereits im Oktober wurden 17 000 Juden polnischer Herkunft, die Polen nicht aufnehmen wollte, ins Niemandsland abgeschoben, darunter die Eltern von HERSCHEL GRYNSPAN. | |
3. Dezember | Schaffung eines „Judenbanns“ in Berlin. Juden durften die Innenstadt und das Regierungsviertel nicht mehr betreten. | |
Chronologie des Verbrechens gegen die Juden in Deutschland und Europa seit Kriegsbeginn | ||
1939 | ||
1. September | Über die Juden in Deutschland wird eine Ausgangssperre verhängt ab 20:00 Uhr dürfen sie ihre Wohnungen nicht mehr verlassen. | |
1940 | ||
12. April | Erklärung von HANS FRANK, verantwortlich für die Besatzungspolitik in Polen, dass Krakau bis November „judenfrei“ sein muss. Ab 1940 Errichtung des jüdischen Gettos in Warschau, 1941 wurde es durch eine Mauer Bild) abgeriegelt. Alle Juden wurden später in Vernichtungslager deportiert oder verhungerten im Getto oder starben beim Aufstand 1943 gegen die Besatzer. | |
1941 | ||
10. Januar | Die deutsche Besatzungsmacht lässt alle Juden in den Niederlanden registrieren. | |
23. Juni | In den besetzen Gebieten der Sowjetunion begannen die Mordaktionen der SS-Einsatzgruppen mit täglicher Berichterstattung. | |
1. Juli bis 31. August | Die Einsatzgruppe D, Wehrmachtseinheiten und rumänische Sondertruppen ermordeten in Bessarabien (Rumänien)150 000 bis 160 000 Juden. | |
19. September | Die in Deutschland Mit diesem Judenstern knüpften die NS-Behörden an die mittelalterliche Kennzeichnung | |
14. Oktober | Beginn der systematischen Deportation aus dem „Altreich“; zunächst solltet 50 000 Personen aus den größeren Städten „nach dem Osten“ deportiert werden. Ende November gelangten die ersten Juden in das „Altersgetto“ oder „Vorzugslager“ Theresienstadt. | |
1942 | ||
20. Januar | Konferenz unter Vorsitz HEYDRICHS, Chef der Sicherheitspolizei und des SD, zur Koordinierung der „Endlösung“ der Judenfrage in Europa (Wannseekonferenz). Es ging in der Konferenz um die Ermordung der europäischen Juden und um das Schicksal der deutschen „Mischehen“ und „Halbjuden“, die sterilisiert oder in Gettos abgeschoben werden sollten, wurde auf die Zeit nach dem Krieg verschoben. | |
Bis zur Befreiung des KZ Auschwitz am 27. Januar 1945 kamen etwa 6 Millionen jüdischer Bürger aus Deutschland, den besetzten Gebieten und den Ländern der mit Deutschland verbündeten Staaten wie Ungarn, Rumänien und der Slowakei durch Massenerschießungen, Hungerpolitik, Vernichtung durch Arbeit, mithilfe von Gaswagen in den Vernichtungslagern um. (Ca. 50 % der ermordeten Juden wurden im Gas erstickt.) |
Im Laufe der Zeit wurde immer deutlicher, dass die Juden aus Deutschland endgültig und für immer verschwinden sollten. Deutschland, so sagte man, sollte „judenfrei“ werden.
Anfänglich dachte man das „Problem“ durch die freiwillige oder erzwungene Auswanderung und Vertreibung aller deutschen Juden zu „lösen“
Ab 1938 und besonders nach der Besetzung Polens 1939 gab es dann aber erste große Deportationen der Juden aus dem Deutschen Reich nach Osten, indem die Juden eines bestimmten Gebietes gesammelt und verschleppt wurden. Dabei existierten zunächst verschiedene Vorstellungen einer Neuansiedlung der Juden. So dachte man zum Beispiel daran, alle Juden in einem sogenannten „Reservat“ bei der polnischen Stadt Lublin einzupferchen. Dieser Plan erwies sich jedoch ebenso als undurchführbar wie eine ernsthaft verfolgte Vorstellung, alle Juden auf die südostafrikanische Insel Madagaskar zu deportieren.
Beteiligt an verschiedenen Planungen und Maßnahmen in diesem Zusammenhang war auch ADOLF EICHMANN, der zu der Zeit im RSHA das Referat für Juden und „Evakuierung“ leitete. Er führte auf der Wannseekonferenz Protokoll und machte nach seiner Verhaftung in dem 1961 gegen ihn durchgeführten Prozess in Jerusalem umfangreiche Aussagen über das Treffen im Januar 1942.
Gab es schon vorher auch im Zusammenhang solcher „Probleme“ der Neuansiedlung immer wieder Überlegungen, alle Juden „einfach“ zu ermorden, so wurde dieser Weg dann ab 1941 beschritten. Unter dem Eindruck des zunächst erfolgreichen Krieges gegen die Sowjetunion, die von Deutschland am 22. Juni 1942 unter dem Decknamen „Unternehmen Barbarossa“ angegriffen wurde, fiel die endgültige Entscheidung. Dieser Krieg sollte nicht nur als ein normaler, sondern zudem als ein Vernichtungskrieg
Im Juli 1941 wurde daher REINHARD HEYDRICH vom damals noch für die „Judenpolitik“ zuständigen HERMANN GÖRING beauftragt, die „Gesamtlösung der Judenfrage“ vorzubereiten. Allerdings war das kein Befehl von oben, sondern entsprach den Vorstellungen von HEYDRICH und vielen anderen. Diese Vorbereitungen sollten laut Auftrag zur „Endlösung der Judenfrage“ führen, womit die völlige Vernichtung der Juden gemeint war. Die Wannseekonferenz war dann eine unmittelbare Folge dieses „Auftrages“ aus dem Juli 1941.
Der systematische Mord an den Juden begann 1941 zunächst mit der Bildung sogenannter Einsatzgruppen. Das waren bewegliche Einheiten, deren Auftrag allein in der Tötung von Menschen bestand, die man als Gegner ansah. Die Einsatzgruppen zogen durch Städte und Dörfer und ermordeten Bolschewisten, Sinti und Roma sowie Juden. Diese Einsatzgruppen waren während des ganzen Krieges im Einsatz.
Allerdings wurde schnell klar, dass durch solche Erschießungen niemals alle Juden würden getötet werden können. Daher setzte man zunächst sogenannte Gaswagen ein, die man sich als eine Art Lieferwagen vorstellen muss. Die zur Tötung bestimmten Menschen wurden in den Transportraum geladen. Nachdem man den Motor des Wagens angelassen hatte, wurde mit einem Schlauch Gas in den Transportraum eingeführt, wodurch die Menschen grausam erstickten.
Aber auch die Tötung durch diese Gaswagen ging den Nationalsozialisten zu langsam. Daher ging man dazu über, Konzentrationslager als Orte der bürokratisch geplanten und industriell betriebenen massenhaften Ermordung der Juden zu nutzen. Solche Lager erhielten daher auch den Namen Vernichtungslager. In ihnen wurden die Juden aus allen Teilen Deutschlands und den damals beherrschten Teilen Europas herbeigeschafft und dann meistens durch Gas ermordet.
In einigen Lagern wurden vorher noch die besonders kräftigen und arbeitsfähigen Menschen aussortiert. Das geschah zum Beispiel in Auschwitz, wo direkt nach Ankunft der Züge auf einer Rampe von Ärzten und Aufsehern entschieden wurde, wer sofort getötet und wer zur Sklavenarbeit herangezogen werden sollte. Einer dieser berüchtigten Ärzte war JOSEF MENGELE.
Die Wannseekonferenz stand am Beginn dieser Art der Tötung der Juden. Auf ihr wurden unerlässliche Voraussetzungen erörtert. Denn für diese Art der geplanten und kaltblütigen Ermordung der Juden bedurfte es eines bürokratischen Apparates. Diese Mischung aus kühler bürokratischer Planung und industriell durchgeführter massenhafter Vernichtung eines ganzen Volkes ist bis heute einmalig!!! nicht nur in der Geschichte Deutschlands, sondern in der gesamten Geschichte der Menschheit!!! Zwar darf hier die Erwähnung des Genozids der Türken an den Armenieren 1915/16 nicht unterlassen und vergessen und zurecht gebrandmarkt werden. Doch die Art und Weise der deutschen "Judenvernichtung" ist beispielslos.
Die Vernichtung der europäischen Juden durch Massenmord, die man auch als Holocaust bezeichnet, forderte auf diese Weise mindestens 6 Millionen Tote. Nach einem neuhebräischen Wort bezeichnet man diesen Völkermord auch als Shoa.
- Dabei dürfen wir nie vergessen, dass es zwar "Gott sei Dank" Überlebende des Naziterrors gab und bis heute gibt, doch Überlebende derer, die in die Gaskammern geführt wurden, gibt es keine. Was Menschen (!) durch "Menschen" dort wirklich erlitten haben, kann keiner erzählen und beschreiben, denn von dort ist niemand zurücgekehrt!!
In Israel, das nach dieser Tragödie 1948 gegründet wurde, bleiben die Opfer bis heute unvergessen. In der für die Opfer errichteten Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem fand man eine Antwort auf diesen Massenmord, in dem die kalt planenden Täter ihre Opfer häufig nur noch als Sachen betrachteten. Der Name Yad Vashem (wörtlich: „Denkmal und Name“) geht auf einen Satz des Propheten JESAJA zurück: „Ihnen allen errichte ich in meinem Haus und in meinen Mauern ein Denkmal, ich gebe ihnen einen Namen, der mehr wert ist als Söhne und Töchter: Einen ewigen Namen gebe ich ihnen, der niemals getilgt wird.“
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Seite 5 Absatz 3 ff. des Protokolls der Wannseekonferenz ist mehr als eindeutig und wird hier wie folgt wiedergegeben:
„Anstelle der Auswanderung ist nunmehr als weitere Lösungsmöglichkeit nach entsprechender vorheriger Genehmigung durch den Führer die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten. Diese Aktionen sind jedoch lediglich als Ausweichmöglichkeiten anzusprechen, doch werden hier bereits jene praktischen Erfahrungen gesammelt, die in Hinblick auf die kommende Endlösung der Judenfrage von Bedeutung sind. Im Zuge dieser Endlösung der europäischen Judenfrage kommen rund 11 Millionen Juden in Betracht.………
Unter entsprechender Leitung sollen nun im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen. In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifelsfrei ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird. Der allfällig endlich verbleibende Bestand wird, da es sich bei diesen zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues anzusprechen ist (siehe die Erfahrung der Geschichte).
Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung wird Europa von Westen nach Osten durchgekämmt.
Die evakuierten Juden werden zunächst Zug um Zug in sogenannte Durchgangsghettos verbracht, um von dort weiter nach dem Osten transportiert zu werden.“
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Nun wird oftmals in rechten Kreisen kolportiert, dass doch nur sehr wenige Deutschen wussten, was in der Wannseekonferenz geplant und besprochen wurde. Dies kann jedoch eindeutig widerlegt werden: In seiner berühmt-berüchtigten „Posener Rede“ vom Oktober 1942 bezeichnete Himmler den durch die Wannseekonferenz eingeleiteten „industriellen Holocaust“ als ein „niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt der deutschen Geschichte“.
Und dass viele Deutsche von der durch die Wannseekonferenz initiierten systematischen Ermordung wussten, lässt sich am Beispiel der Deutschen Reichsbahn ersehen. Die Deutsche Reichsbahn war 1942 mit 1,4 Millionen Beschäftigten nach der Wehrmacht das größte Unternehmen im III. Reich. Und die Reichsbahn profitierte von den Folgen der Wannseekonferenz in beträchtlichem Umfang. Durch die Beschlüsse der Wannseekonferenz, Juden in die Konzentrationslager zu verbringen, musste man sich eines Transportmittels bedienen und dieses Transportmittel war die Deutsche Reichsbahn. Im Rahmen des Holocaust wurden Juden in Güter- und Viehwagons zum selben Preis befördert wie Fahrgäste mit einer Fahrkarte für eine Hinfahrt.
Auffällig gewesen sein musste für die Bediensteten der Deutschen Reichsbahn, dass immer nur Hinfahrten geordert wurden und dass die GeStaPo die Fahrkarten aus dem Vermögen der jüdischen Bevölkerung bezahlte. Es muss als absolut unglaubwürdig angesehen werden, dass die Bediensteten der Deutschen Reichsbahn sich hierüber keine Gedanken machten oder über diesen Sachverhalt nicht mit Dritten sprachen. Und wenn dieser Sachverhalt den Mitarbeitenden der Deutschen Reichsbahn bekannt war, so ist davon auszugehen, dass auch deren Familien hierüber Bescheid wussten.
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NG-2586
20.1.1942: DAS WANNSEE-PROTOKOLL
Quelle:
- Poliakov/Wulf
Das Dritte Reich und die Juden, S. 116-126
[Stempel:] Geheime Reichssache
B e s p r e c h u n g s p r o t o k o l l
I. An der am 20.1.1942 in Berlin, Am Großen Wannsee Nr. 56/58, stattgefundenen Besprechung über die Endlösung der Judenfrage nahmen teil:
Gauleiter Dr. Meyer und Reichsamtsleiter Dr. Leibbrandt | Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete |
Staatssekretär Dr. Stuckart | Reichsministerium des Innern |
Staatssekretär Neumann | Beauftragter für den Vierjahresplan |
Staatssekretär Dr. Freisler | Reichsjustizministerium |
Staatssekretär Dr. Bühler | Amt des Generalgouverneurs |
Unterstaatssekretär Luther | Auswärtiges Amt |
SS-Oberführer Klopfer | Partei-Kanzlei |
Minsterialdirektor Kritzinger | Reichskanzlei |
SS-Gruppenführer Hofmann | Rasse- und Siedlungshauptamt |
SS-Gruppenführer Müller SS-Obersturmbannführer Eichmann | Reichssicherheitshauptamt |
SS-Oberführer Dr. Schöngarth Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im General-Gouvernement | Sicherheitspolizei und SD |
SS-Sturmbannführer Dr. Lange, Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Lettland, als Vertreter des Befehlhabers der Sicherheitspolizei und des SD für das Reichskommissariat Ostland. | Sicherheitspolizei und SD |
II. Chef der Sicherheitspolizei und des SD, SS-Obergruppenführer H e y d r i c h, teilte eingangs seine Bestallung zum Beauftragten für die Vorbereitung der Endlösung der europäischen Judenfrage durch den Reichsmarschall mit und wies darauf hin, daß zu dieser Besprechung geladen wurde, um Klarheit in grundsätzlichen Fragen zu schaffen. Der Wunsch des Reichsmarschalls, ihm einen Entwurf über die organisatorischen, sachlichen und materiellen Belange im Hinblick auf die Endlösung der europäischen Judenfrage zu übersenden, erfordert die vorherige gemeinsame Behandlung aller an diesen Fragen unmittelbar beteiligten Zentralinstanzen im Hinblick auf die Parallelisierung der Linienführung.
Die Federführung bei der Bearbeitung der Endlösung der Judenfrage liege ohne Rücksicht auf geographische Grenzen zentral beim Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei (Chef der Sicherheitspolizei und des SD).
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD gab sodann einen kurzen Rückblick über den bisher geführten Kampf gegen diesen Gegner. Die wesentlichsten Momente bilden
a) die Zurückdrängung der Juden aus den einzelnen Lebensgebieten des deutschen Volkes,
b) die Zurückdrängung der Juden aus dem Lebensraum des deutschen Volkes.
Im Vollzug dieser Bestrebungen wurde als einzige vorläufige Lösungsmöglichkeit die Beschleunigung der Auswanderung der Juden aus dem Reichsgebiet verstärkt und planmäßig in Angriff genommen.
Auf Anordnung des Reichsmarschalls wurde im Januar 1939 eine Reichszentrale für jüdische Auswanderung errichtet, mit deren Leitung der Chef der Sicherheitspolizei und des SD betraut wurde. Sie hatte insbesondere die Aufgabe
a) alle Maßnahmen zur Vorbereitung einer verstärkten Auswanderung der Juden zu treffen
b) den Auswanderungsstrom zu lenken
c) die Durchführung der Auswanderung im Einzelfall zu beschleunigen.
Das Aufgabenziel war, auf legale Weise den deutschen Lebensraum von Juden zu säubern. Über die Nachteile, die eine solche Auswanderungsforcierung mit sich brachte, waren sich alle Stellen im klaren. Sie mußten jedoch angesichts des Fehlens anderer Lösungsmöglichkeiten vorerst in Kauf genommen werden. Die Auswanderungsarbeiten waren in der Folgezeit nicht nur ein deutsches Problem, sondern auch ein Problem, mit dem sich die Behörden der Ziel- bzw. Einwandererländer zu befassen hatten. Die finanziellen Schwierigkeiten, wie Erhöhung der Vorzeige- und Landungsgelder seitens der verschiedenen ausländischen Regierungen, fehlende Schiffsplätze, laufend verschärfte Einwanderungsbeschränkungen oder - sperren, erschwerten die Auswanderungsbestrebungen außerordentlich. Trotz dieser Schwierigkeiten wurden seit der Machtübernahme bis zum Stichtag 31.10.1941 insgesamt rund 537.000 Juden zur Auswanderung gebracht. Davonvom 30.1.1933 aus dem Altreich rd. 360.000
vom 15.3.1938 aus der Ostmark rd. 147.000
vom 15.3.1939 aus dem Protektorat Böhmen und Mähren rd. 30.000
Die Finanzierung der Auswanderung erfolgte durch die Juden bzw. jüdisch- politischen Organisationen selbst. Um den Verbleib der verproletarisierten Juden zu vermeiden, wurde nach dem Grundsatz verfahren, daß die vermögenden Juden die Abwanderung der vermögenslosen Juden zu finanzieren haben; hier wurde, je nach Vermögen gestaffelt, eine entsprechende Umlage bzw. Auswandererabgabe vorgeschrieben, die zur Bestreitung der finanziellen Obliegenheiten im Zuge der Abwanderung vermögensloser Juden verwandt wurde.
Neben dem Reichsmark-Aufkommen sind Devisen für Vorzeige- und Landungsgelder erforderlich gewesen. Um den deutschen Devisenschatz zu schonen, wurden die jüdischen Finanzinstitutionen des Auslandes durch die jüdischen Organisationen des Inlandes verhalten, für die Beitreibung entsprechender Devisenaufkommen Sorge zu tragen. Hier wurden durch diese ausländischen Juden im Schenkungswege bis zum 30.10.1941 insgesamt rund 9.500.000 Dollar zur Verfügung gestellt.
Inzwischen hat der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Hinblick auf die Gefahren einer Auswanderung im Kriege und im Hinblick auf die Möglichkeiten des Ostens die Auswanderung von Juden verboten.
III. Anstelle der Auswanderung ist nunmehr als weitere Lösungsmöglichkeit nach entsprechender vorheriger Genehmigung durch den Führer die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten.
Diese Aktionen sind jedoch lediglich als Ausweichmöglichkeiten anzusprechen, doch werden hier bereits jene praktischen Erfahrungen gesammelt, die im Hinblick auf die kommende Endlösung der Judenfrage von wichtiger Bedeutung sind.
Im Zuge dieser Endlösung der europäischen Judenfrage kommen rund 11 Millionen Juden in Betracht, die sich wie folgt auf die einzelnen Länder verteilen:
Land | Zahl | |
A. | Altreich | 131.800 |
Ostmark | 43.700 | |
Ostgebiete | 420.000 | |
Generalgouvernement | 2.284.000 | |
Bialystok | 400.000 | |
Protektorat Böhmen und Mähren | 74.200 | |
Estland | - judenfrei | |
Lettland | 3.500 | |
Litauen | 34.000 | |
Belgien | 43.000 | |
Dänemark | 5.600 | |
Frankreich, besetztes Gebiet unbesetztes Gebiet | 165.000 700.000 | |
Griechenland | 69.600 | |
Niederlande | 160.800 | |
Norwegen | 1.300 | |
B. | Bulgarien | 48.000 |
England | 330.000 | |
Finnland | 2.300 | |
Irland | 4.000 | |
Italien, einschl. Sardinien | 58.000 | |
Albanien | 200 | |
Kroatien | 40.000 | |
Portugal | 3.000 | |
Rumänien, einschl. Bessarabien | 342.000 | |
Schweden | 8.000 | |
Schweiz | 18.000 | |
Serbien | 10.000 | |
Slowakei | 88.000 | |
Spanien | 6.000 | |
Türkei (europ. Teil) | 55.500 | |
Ungarn | 742.800 | |
UdSSR | 5.000.000 | |
Ukraine | 2.994.684 | |
Weißrußland aus- schl. Bialystok | 446.484 | |
zusammen: | über 11.000.000 |
Bei den angegebenen Judenzahlen der verschiedenen ausländischen Staaten handelt es sich jedoch nur um Glaubensjuden, da die Begriffsbestimmungen der Juden nach rassischen Grundsätzen teilweise dort noch fehlen. Die Behandlung des Problems in den einzelnen Ländern wird im Hinblick auf die allgemeine Haltung und Auffassung auf gewiße Schwierigkeiten stoßen, besonders in Ungarn und Rumänien. So kann sich z.B. heute noch in Rumänien der Jude gegen Geld entsprechende Dokumente, die ihm eine fremde Staatsangehörigkeit amtlich bescheinigen, beschaffen.
Der Einfluß der Juden auf alle Gebiete in der UdSSR ist bekannt. Im europäischen Gebiet leben etwa 5 Millionen, im asiatischen Raum knapp 1/4 Millionen Juden.
Die berufsständische Aufgliederung der im europäischen Gebiet der UdSSR ansässigen Juden war etwa folgende:
In der Landwirtschaft | 9,1 % |
als städtische Arbeiter | 14,8 % |
im Handel | 20,0 % |
als Staatsarbeiter angestellt | 23,4 % |
in den privaten Berufen - Heilkunde, Presse, Theater, usw. | 32,7 % |
Unter entsprechender Leitung sollen im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen. In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird.
Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues anzusprechen ist. (Siehe die Erfahrung der Geschichte.)
Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung wird Europa vom Westen nach Osten durchgekämmt. Das Reichsgebiet einschließlich Protektorat Böhmen und Mähren wird, allein schon aus Gründen der Wohnungsfrage und sonstigen sozialpolitischen Notwendigkeiten, vorweggenommen werden müssen.
Die evakuierten Juden werden zunächst Zug um Zug in sogenannte Durchgangsghettos verbracht, um von dort aus weiter nach dem Osten transportiert zu werden.
Wichtige Voraussetzung, so führte SS- Obergruppenführer H e y d r i c h weiter aus, für die Durchführung der Evakuierung überhaupt, ist die genaue Festlegung des in Betracht kommenden Personenkreises.
Es ist beabsichtigt, Juden im Alter von über 65 Jahren nicht zu evakuieren, sondern sie einem Altersghetto - vorgesehen ist Theresienstadt - zu überstellen.
Neben diesen Altersklassen - von den am 31.10.1941 sich im Altreich und der Ostmark befindlichen etwa 280.000 Juden sind etwa 30 % über 65 Jahre alt - finden in den jüdischen Altersghettos weiterhin die schwerkriegsbeschädigten Juden und Juden mit Kriegsauszeichnungen (EK I) Aufnahme. Mit dieser zweckmäßigen Lösung werden mit einem Schlag die vielen Interventionen ausgeschaltet.
Der Beginn der einzelnen größeren Evakuierungsaktionen wird weitgehend von der militärischen Entwicklung abhängig sein. Bezüglich der Behandlung der Endlösung in den von uns besetzten und beeinflußten europäischen Gebieten wurde vorgeschlagen, daß die in Betracht kommenden Sachbearbeiter des Auswärtigen Amtes sich mit dem zuständigen Referenten der Sicherheitspolizei und des SD besprechen.
In der Slowakei und Kroatien ist die Angelegenheit nicht mehr allzu schwer, da die wesentlichsten Kernfragen in dieser Hinsicht dort bereits einer Lösung zugeführt wurden. In Rumänien hat die Regierung inzwischen ebenfalls einen Judenbeauftragten eingesetzt. Zur Regelung der Frage in Ungarn ist erforderlich, in Zeitkürze einen Berater für Judenfragen der Ungarischen Regierung aufzuoktroyieren.
Hinsichtlich der Aufnahme der Vorbereitungen zur Regelung des Problems in Italien hält SS-Obergruppenführer H e y d r i c h eine Verbindung Polizei-Chef mit dem Polizei-Chef in diesen Belangen für angebracht.
Im besetzten und unbesetzten Frankreich wird die Erfassung der Juden zur Evakuierung aller Wahrscheinlichkeit nach ohne große Schwierigkeiten vor sich gehen können.
Unterstaatssekretär L u t h e r teilt hierzu mit, daß bei tiefgehender Behandlung dieses Problems in einigen Ländern, so in den nordischen Staaten, Schwierigkeiten auftauchen werden, und es sich daher empfiehlt, diese Länder vorerst noch zurückzustellen. In Anbetracht der hier in Frage kommenden geringen Judenzahlen bildet diese Zurückstellung ohnedies keine wesentliche Einschränkung.
Dafür sieht das Auswärtige Amt für den Südosten und Westen Europas keine großen Schwierigkeiten.
SS-Gruppenführer H o f m a n n beabsichtigt, einen Sachbearbeiter des Rasse- und Siedlungshauptamtes zur allgemeinen Orientierung dann nach Ungarn mitsenden zu wollen, wenn seitens des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD die Angelegenheit dort in Angriff genommen wird. Es wurde festgelegt, diesen Sachbearbeiter des Rasse- und Siedlungshauptamtes, der nicht aktiv werden soll, vorübergehend offiziell als Gehilfen zum Polizei-Attaché abzustellen.
IV. Im Zuge der Endlösungsvorhaben sollen die Nürnberger Gesetze gewissermaßen die Grundlage bilden, wobei Voraussetzung für die restlose Bereinigung des Problems auch die Lösung der Mischehenund Mischlingsfragen ist.
Chef der Sicherheitspolizei und des SD erörtert im Hinblick auf ein Schreiben des Chefs der Reichskanzlei zunächst theoretisch die nachstehenden Punkte:
1. Behandlung der Mischlinge 1. Grades.
Mischlinge 1. Grades sind im Hinblick auf die Endlösung der Judenfrage den Juden gleichgestellt.
Von dieser Behandlung werden ausgenommen:
a) Mischlinge 1. Grades verheiratet mit Deutschblütigen, aus deren Ehe Kinder (Mischlinge 2. Grades) hervorgegangen sind. Diese Mischlinge 2. Grades sind im wesentlichen den Deutschen gleichgestellt.
b) Mischlinge 1. Grades, für die von den höchsten Instanzen der Partei und des Staates bisher auf irgendwelchen Lebensgebieten Ausnahmegenehmigungen erteilt worden sind. Jeder Einzelfall muß überprüft werden, wobei nicht ausgeschlossen wird, daß die Entscheidung nochmals zu Ungunsten des Mischlings ausfällt.
Voraussetzungen einer Ausnahmebewilligung müssen stets grundsätzliche Verdienste des in Frage stehenden Mischlings selbst sein. (Nicht Verdienste des deutschblütigen Eltern- oder Eheteiles.)
Der von der Evakuierung auszunehmende Mischling 1. Grades wird - um jede Nachkommenschaft zu verhindern und das Mischlingsproblem endgültig zu bereinigen - sterilisiert. Die Sterilisierung erfolgt freiwillig. Sie ist aber Voraussetzung des Verbleibens im Reich. Der sterilisierte "Mischling" ist in der Folgezeit von allen einengenden Bestimmungen, denen er bislang unterworfen ist, befreit.
2. Behandlung der Mischlinge 2. Grades.
Die Mischlinge 2. Grades werden grundsätzlich den Deutschblütigen zugeschlagen, mit Ausnahme folgender Fälle, in denen die Mischlinge 2. Grades den Juden gleichgestellt werden:
a) Herkunft des Mischlings 2. Grades aus einer Bastardehe (beide Teile Mischlinge).
b) Rassisch besonders ungünstiges Erscheinungsbild des Mischlings 2. Grades, das ihn schon äußerlich zu den Juden rechnet.
c) Besonders schlechte polizeiliche und politische Beurteilung des Mischlings 2. Grades, die erkennen läßt, daß er sich wie ein Jude fühlt und benimmt.
Auch in diesen Fällen sollen aber dann Ausnahmen nicht gemacht werden, wenn der Mischling 2. Grades deutschblütig verheiratet ist.
3. Ehen zwischen Volljuden und Deutschblütigen.
Von Einzelfall zu Einzelfall muß hier entschieden werden, ob der jüdische Teil evakuiert wird, oder ob er unter Berücksichtigung auf die Auswirkung einer solchen Maßnahme auf die deutschen Verwandten dieser Mischehe einem Altersghetto überstellt wird.
4. Ehen zwischen Mischlingen 1. Grades und Deutschblütigen.
a) Ohne Kinder:
Sind aus der Ehe keine Kinder hervorgegangen, wird der Mischling 1. Grades evakuiert bzw. einem Altersghetto überstellt (Gleiche Behandlung wie bei Ehen zwischen Volljuden und Deutschblütigen, Punkt 3.)
b) Mit Kindern:
Sind Kinder aus der Ehe hervorgegangen (Mischlinge 2. Grades), werden sie, wenn sie den Juden gleichgestellt werden, zusammen mit dem Mischling 1. Grades evakuiert bzw. einem Ghetto überstellt. Soweit diese Kinder Deutschen gleichgestellt werden (Regelfälle), sind sie von der Evakuierung auszunehmen und damit auch der Mischling 1. Grades.
5. Ehen zwischen Mischlingen 1. Grades und Mischlingen 1. Grades oder Juden.
Bei diesen Ehen (einschließlich der Kinder) werden alle Teile wie Juden behandelt und daher evakuiert bzw. einem Altersghetto überstellt.
6. Ehen zwischen Mischlingen 1. Grades und Mischlingen 2. Grades.
Beide Eheteile werden ohne Rücksicht darauf, ob Kinder vorhanden sind oder nicht, evakuiert bzw. einem Altersghetto überstellt, da etwaige Kinder rassenmäßig in der Regel einen stärkeren jüdischen Bluteinschlag aufweisen, als die jüdischen Mischlinge 2. Grades.
SS-Gruppenführer H o f m a n n steht auf dem Standpunkt, daß von der Sterilisierung weitgehend Gebrauch gemacht werden muß; zumal der Mischling, vor die Wahl gestellt, ob er evakuiert oder sterilisiert werden soll, sich lieber der Sterilisierung unterziehen würde.
Staatssekretär Dr. S t u c k a r t stellt fest, daß die praktische Durchführung der eben mitgeteilten Lösungsmöglichkeiten zur Bereinigung der Mischehen- und Mischlingsfragen in dieser Form eine unendliche Verwaltungsarbeit mit sich bringen würde. Um zum anderen auf alle Fälle auch den biologischen Tatsachen Rechnung zu tragen, schlug Staatssekretär Dr. S t u c k a r t vor, zur Zwangssterilisierung zu schreiten.
Zur Vereinfachung des Mischehenproblems müßten ferner Möglichkeiten überlegt werden mit dem Ziel, daß der Gesetzgeber etwa sagt: "Diese Ehen sind geschieden."
Bezüglich der Frage der Auswirkung der Judenevakuierung auf das Wirtschaftsleben erklärte Staatssekretär N e u m a n n , daß die in kriegswichtigen Betrieben im Arbeitseinsatz stehenden Juden derzeit, solange noch kein Ersatz zur Verfügung steht, nicht evakuiert werden könnten.
SS-Obergruppenführer H e y d r i c h wies darauf hin, daß diese Juden nach den von ihm genehmigten Richtlinien zur Durchführung der derzeit laufenden Evakuierungsaktionen ohnedies nicht evakuiert würden.
Staatssekretär Dr. B ü h l e r stellte fest, daß das Generalgouvernement es begrüssen würde, wenn mit der Endlösung dieser Frage im Generalgouvernement begonnen würde, weil einmal hier das Transportproblem keine übergeordnete Rolle spielt und arbeitseinsatzmäßige Gründe den Lauf dieser Aktion nicht behindern würden. Juden müßten so schnell wie möglich aus dem Gebiet des Generalgouvernements entfernt werden, weil gerade hier der Jude als Seuchenträger eine eminente Gefahr bedeutet und er zum anderen durch fortgesetzten Schleichhandel die wirtschaftliche Struktur des Landes dauernd in Unordnung bringt. Von den in Frage kommenden etwa 2 1/2 Millionen Juden sei überdies die Mehrzahl der Fälle arbeitsunfähig.
Staatssekretär Dr. B ü h l e r stellt weiterhin fest, daß die Lösung der Judenfrage im Generalgouvernement federführend beim Chef der Sicherheitspolizei und des SD liegt und seine Arbeiten durch die Behörden des Generalgouvernements unterstützt würden. Er hätte nur eine Bitte, die Judenfrage in diesem Gebiet so schnell wie möglich zu lösen.
Abschließend wurden die verschiedenen Arten der Lösungsmöglichkeiten besprochen, wobei sowohl seitens des Gauleiters Dr. M e y e r als auch seitens des Staatssekretär Dr. B ü h l e r der Standpunkt vertreten wurde, gewiße vorbereitende Arbeiten im Zuge der Endlösung gleich in den betreffenden Gebieten selbst durch zuführen, wobei jedoch eine Beunruhigung der Bevölkerung vermieden werden müsse.
Mit der Bitte des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD an die Besprechungsteilnehmer, ihm bei der Durchführung der Lösungsarbeiten entsprechende Unterstützung zu gewähren, wurde die Besprechung geschlossen.
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