"Erster Bauernaufstand seit 500 Jahren" - Die Ravensburger Demo verlief friedlich und ohne "Rechtsruck" ...
Stefan Weinert
Am "Grünen Turm" angekommen, schlugen mir die Dezibel von Rufen, Beifall, Sirenen und Pfiffen entgegen. "Das sind nicht nur 250 Leute, die da auf dem Marienplatz versammelt sind," dachte ich bei mir. Und in der Tat. Es waren - so schätze ich einem Freund gegenüber - trotz minus 2 °C - um die 2.500 Bürger/innen, die sich im riesigen Halb-Oval vor der Bühne Richtung südlicher Marienplatz versammelt hatten. Die meisten von ihnen waren Landwirte aus dem Kreis Ravensburg, aber auch von weiter weg und aus anderen Berufen, respektive interessierte Bürger, so wie ich eben.
Als ich mitten in der Menge angekommen war, sprach gerade ein Vertreter der Landwirte. Für seine Aussagen und Forderungen an die Politik, erhielt er ziemlich ohrenbelastenden Beifall und zustimmende "Bauerngesänge". Wenn's besonders gut war was von Vorne gesagt wurde, mischte sich eine heulende Sirene unter das Brausen des Beifalls. Die wurde von einer Gruppe junger Landwirte in der zweiten Reihe vor der Bühne per Hand und Kurbel betrieben.
Es sprach noch ein weiterer Vertreter der Agrarwirtschaft, um weitere Aspekte und Forderungen der Landwirtschaft in den Focus zu rücken. Selbiges tat auch - wenn auch auf anderer Ebene - der Sprecher der Maschinenringe. Hervorgehoben wurde, dass die Landwirte in Deutschland eine wichtige Säule der Freiwilligen Feuerwehren sind, nicht nur Feldgeräte und dergleichen austauschen, sondern auch dort im Haushalt von Kollegen helfen, wo es zum Beispiel aus Krankheitsgründen notwendig ist.
Und Diesel sei nun mal für die Landwirtschaft wichtig, meinte ein Sprecher, weil E-Traktoren doppelt so teuer wie herkömmliche sind und eine (1) Batterieleistung für eine (1) Tagesleistung nicht ausreicht.
Jemand anders wies noch darauf hin, dass es nun soweit gekommen sei, dass dies der erste Bauernaufstand in "Deutschland" seit 500 Jahren sei. Der Marienplatz tobte!!
Jemand klemmte noch ein DIN A4-Blatt an die Bühnenfront, um aufzuzeigen, wohin die 100 Milliarden Euro wirklich gehören --- Foto: (c) RoMax, Wangen, für diesen Blog
Wer auch immer sprach - vor allem der Vertreter der DEHOGA -, sie alle forderten die derzeitige Ampelregierung unmissverständlich auf, zurückzutreten. Letztgenannter Sprecher zeigte auf, dass nach der Coronazeit nun auch durch die erneute Mehrwertsteuererhöhung für das Gaststättengewerbe weitere Location bankrott gehen werden und aufgeben müssen. Olaf Scholz wurde von der Bühne laut und sehr emotional der Lüge bezichtigt. Denn er habe versprochen - so der DEHOGA-Vertreter, die Mehrwertsteuer für das Gastgewerbe bei 7 Prozent zu belassen, was aber nicht der Fall ist!
Das Maß (das Fass) ist voll - Landwirte in Ravensburg ertrinken in der Bürokratie. Foto: (c) RoMax, Wangen, für diesen Blog
Eigentlich waren nun Vertreter der Ampelregierung aus unserem Wahlkreis 294 an der Reihe, Reden zu halten. Eingeladen waren sie alle. Doch die FDP hat überhaupt nicht reagiert (Benjamin Strasser, Staatssekretär Justiz), respektive abgesagt (Heike "RAF"-Vergleich Engelhard). Nur Agnieszka Brugger von den "Grünen" hatte den Mut, sich auf die Bühne zu stellen, um zum Wahlvolk zu reden. Allerdings wurde sie gehörig niedergepfiffen und ausgebuht, so dass der Moderator mehrmals um demokratisches Verhalten bitten musste. Brugger lud während ihrer Rede mehrmals zu einem Runden Tisch mit den Landwirten ein, was aber irgendwie als sinnlos empfunden wurde. Aber sie hielt durch bis zum Schluss. Respekt, Frau Brugger.
Was mir sehr gefallen hat war die Tatsache, dass es keine "Umsturzreden" oder dergleichen Bemerkungen seitens der Redner gab. Das musst auch Frau Brugger anerkennen. Dann sah ich noch den Polizeipräsidenten Uwe Stürmer in Zivil und ich gab August Schuler die Hand. Heike Engelhard sah ich nicht.
Allerdings hörte ich unter den Zuschauern Worte wie "Lügenpresse" (SWR), Beschimpfungen der grünen Bundestagsabgeordneten und Pöbeleien mit erhobenen Fäusten. Das aber waren nach meiner Beobachtung diejenigen, die auch schon zu Coronazeiten bei den "Montagszügen" gegen die Demokratie waren, den Umsturz wollten und den "gelben Stern" (!) trugen. Es war jedenfalls eine Minderheit und es waren keine Landwirte!
Da es selbst gegen Mittag noch Minustemperaturen hatte, zog es mich ins "Firence", wo ich mich an den Tisch der Klimaschützer/innen setzte - sie waren bei der Demo auch unter den Zuhörer/innen gewesen - um mich bei einem heißen Kaffe und selbigen Gesprächen aufzuwärmen. Einer der Klimaschützer hatte die Nacht zuvor in einem unbeheizten Baumhaus im "Altdorfer Wald" verbracht und reicht mir seine Thermoskanne mit immer noch gefrorenem Tee. Während ich meinen Kaffe schlürfte, hatte Samuel Bosch sich drei Kugeln Eis bestellt ... sozusagen ein Akt gegen die Klimaerwärmung.
Einig waren wir uns, dass zwar die Landwirte eine von einer Hundertschaft Polizisten geschützten und gesponserten Demo abhalten konnten, Klimaschützer aber keinesfalls in diesen doppelten Genuss kommen, obwohl ihre Anliegen nicht minder wichtiger sind, als die der Landwirte. Ganz im Gegenteil werden sie argwöhnisch beobachtet und schnell kriminalisiert.
"Il conto per favore" - als der Kellner kam, zahlte ich den "Tisch", als kleine Anerkennung für Samuel, seine Mutter und die anderen. Ein kleiner Beitrag zum Klimaschutz.
Blogger - Klimaaktivist - Pazifist. Foto: (c) RoMax, Wangen, für diesen Blog