Weihnachten unterm Hakenkreuz ... Von guten Mächten wunderbar geborgen ... Weihnacht 1945/2023 ...
Blogger: Das erste Nachkriegsweihnachtsfest im zerbombten Deutschland war vom Überlebenskampf - vor allem der Städter und Städterinnen - geprägt. Während sich die Familien der Landwirte immerhin Kartoffelsalat und Würstchen leisten konnten, sieht es in den deutschen Großstädten ganz aus. Der Hunger nach eine Stück Brot von gestern oder vorgestern war groß. Die Menschen rollten in überfüllten Zügen ins Ländliche, um bei den Bauern ihre Uhren, Schmuck und Weiteres Un-ess-bares gegen Butter, Eier, Kohl, Milch oder Kartoffeln einzutauschen. Vor allem Ostfriesland und Schleswig-Holstein waren mit ihrer großen Landwirtschaft bei den Hamsterern beliebt. Von weit her, sogar aus dem Ruhrgebiet, kamen die hungernden Menschen in Scharen für etwas Brot und Wurst nach Norddeutschland. An einen "Christkindlesmarkt" oder einen Weihnachtsrummel mit Glühwein und Bratwürsten, war zu dieser Zeit nicht im Entferntesten zu denken. Es war ein einfaches, sehr einfaches Weihnachten - aber es war ein Fest in neuem Frieden und in neuer Freiheit: Gold und Silber für die Seele!
Weihnachten in den zehn Jahren vor 1945, war etwas surreal-schreckliches. Denn die deutschen-arischen Familien feierten wie immer "Fröhliche Weihnachten", während sich in den KZs nebenan Grausames abspielte. Doch es gab auch Lichter, sehr kleine Lichter - in Form eines Kerzenstummels oder in Form eines Gedichtes
Ich frage mich schon seit ungefähr 40 Jahren (alle Jahre wieder), ob wir Deutschen erst wieder so einen "Untergang" erleben (ertöten) müssen um zu begreifen, dass ein kleines Licht in der Dunkelheit mehr wert ist, als ein Neon/LED-erhelltes, lautes und trunkenes Weihnachtsgemetzel an der Fleischtheke? Ich hoffe - es geht auch anders
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Das Internationale Auschwitz Komitee veröffentlicht "Nachrichten aus Auschwitz." Was genau geschah 1944, dem schlimmsten Jahr in der Geschichte des Konzentrationslagers, an einem bestimmten Tag?
24. Dezember 1944: Weihnachten in Auschwitz
Es liegt Schnee in Auschwitz. Die Dächer der Baracken sind weiß, aber nicht die Lagerstraßen. Immer noch sind es zu viele Häftlinge, die sich mühsam darüber schleppen. Ihre schweren Schritte hinterlassen nur Matsch, der dann wieder gefriert und das Gehen noch schwieriger werden lässt: Überleben ist schwer geworden in Auschwitz in diesen Tagen, noch schwerer als es je war. Keine Nahrungsmittel erreichen mehr das Lager. Die Häftlinge müssen mit dem auskommen, was ihnen die SS zugesteht, und das ist viel zuwenig: das bisschen Suppe und Brot, viel zu wenig Wasser. Dazu kommt die Kälte, die durch die verschlissene Kleidung in jede Pore dringt: Die Häftlinge sind todmüde. Jeden Tag ist in den so genannten Stärkemeldungen der Erschöpfungstod von zwanzig bis dreißig Menschen verzeichnet.
An diesem Weihnachten kommt es besonders schlimm: 300 Frauen aus dem Kommando Weberei – sie fertigen dort Stoffe - erhalten den Befehl, sich zu einem Bad in die Sauna zu melden. Ihre Kleidung wird ihnen abgenommen, um sie zu desinfizieren. Nach der Dusche müssen sie nackt zurück in ihre Baracken gehen, barfüßig über die gefrorenen Lagerstraßen. Es ist ein weiter Weg, mindestens ein Kilometer. Und auch in den Baracken können sie sich nicht aufwärmen. Die Baracken sind unbeheizt, ungehindert pfeift der Wind durch die Ritzen zwischen den Bretterwänden. Ein strenger Winter in Auschwitz. In der Nacht fällt die Temperatur auf Minus 30 Grad. Stundenlang müssen die Frauen auf neue Kleidung warten. Die meisten von ihnen werden an Lungenentzündung erkranken, viele werden sterben. Aber sie haben an Weihnachten gebadet, so wie es sich nach Meinung der SS gehört.
Auch in anderen Teilen des Lagers wird die deutsche Ordnung eisern aufrechterhalten. In Monowitz etwa, dem Lager, wo die IG Farben synthetischen Brennstoff produziert. Das Lager wurde immer wieder von den Alliierten bombardiert. Die Luftaufnahmen der Amerikaner dokumentieren das Ausmaß der Zerstörung, aber auch die Wiederaufbauanstrengungen der Deutschen. Jetzt im Dezember haben sie es fast geschafft. Was bedeutet das für die Häftlinge?
Bei den ersten Luftangriffen haben sie zum Beispiel die Säcke mit dem Phenylbeta aus den Magazinen herausgeschleppt. Dann wieder zurück, als die Luftangriffe aussetzten. Schließlich wurden die Magazine getroffen und die Häftlinge mussten die Säcke im Keller verstauen. Jetzt sind die Magazine repariert, und die Säcke müssen zurück. Jedes mal sechzig Kilo pro Sack. Die Chemikalie verätzt die Haut und Atemwege. "Aber nun", so schreibt Primo Levi, "hat der letzte Kampf begonnen. Und kein Zweifel kann mehr bestehen, dass es der letzte ist. In welchem Augenblick des Tages auch immer es uns geschieht, dass wir auf die Stimme unserer Körper horchen, dass wir unsere Glieder fragen, die Antwort lautet stets: die Kräfte werden nicht ausreichen."
Die Luftaufnahmen der Amerikaner zeigen nicht nur die Reparaturarbeiten in den Fabriken von IG Farben. Sie zeigen auch, wie in Auschwitz Birkenau die Abrissarbeiten vorangehen: Aber das heißt nicht, dass die Nationalsozialisten aufgegeben haben. Sie transportieren die Einrichtung der Krematorien II und III ab, um sie in den Konzentrationslagern Mauthausen in Österreich und Großrosen in der Nähe von Breslau wieder aufzubauen. Die zumindest sind ihre Pläne.
Auch in Auschwitz werden an Weihnachten Kinder geboren, gleich drei werden es am ersten Weihnachtstag sein. Aber für sie gibt es keine Gnade, keine Hoffnung zu überleben. Es geschieht kein Weihnachtswunder für die Häftlinge von Auschwitz.
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An Weihnachten 1938 wollen auch die SS-Leute im KZ Dachau zu ihren Familien. Deshalb halten sie den Nachmittagsappell schon früh am 24. Dezember 1938 ab und schicken die Häftlinge zu ihren Baracken. Unter ihnen ist der Priester Alfred Berchtold. Anfang Oktober 1938 war er aus dem Gefängnis Salzburg ins KZ Dachau verlegt worden, in die Strafkompanie. Die Nationalsozialisten hatten ihn Ende März 1938 in der Steiermark verhaftet. Wegen seiner Tätigkeit in der katholischen Arbeiterbewegung stand der Kaplan der Gleichschaltung Österreichs im Weg.
Der 34-jährige Priester erlebt sein erstes Weihnachtsfest im KZ Dachau: "Auf der kurzen, schmalen Blockstraße stehen viele Gruppen beisammen. Jeder hat seine Freunde aufgesucht, um ein wenig zu plaudern. Die sieben von der Wiener katholischen Jugend sind zu mir gekommen und haben mich um einige Worte zum Weihnachtsfest gebeten. In der hintersten Ecke der Blockstraße stehen wir beisammen, immer vorsichtig spähend, ob nicht einer der gefürchteten Spitzel sich heranschleicht. Religiöse Gespräche sind gefährlich, sie gelten als 'politisieren' und werden mit 25 Hieben und 42 Tagen Bunker bestraft."
Björn Mensing, Pfarrer der evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau, hat die Geschichte des KZ-Überlebenden und Priesters Alfred Berchtold recherchiert. Es ist eine Erinnerung, die zeigt, wie die Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau Weihnachten erlebten. Dies ist die Geschichte einer "stillen Nacht", wie Mensing berichtet. Die Zitate des Priesters hat er aus dessen undatierten Erinnerungsbericht "Weihnachten 1938" zusammengetragen, veröffentlicht im Sammelband von Eugen Weiler: "Die Geistlichen in Dachau sowie in anderen Konzentrationslagern und in Gefängnissen."
Der Kaplan Berchtold findet damals auf der Blockstraße die passenden Worte für seine Kameraden: "Nicht Befreiung dürfen wir vom Friedenskönig der Weihnacht erwarten. Wir werden uns weiter dahinschleppen unter dem Kreuz des geschundenen, gequälten Häftlingslebens, vielleicht Jahre noch. Aber in unserer Brust will er ein stilles Flämmchen des Glücks entzünden." Heimlich gibt Berchtold den anderen den heiligen Segen. "Nach der Beichte erteilt der Priester jedem einzelnen die Absolution", so Mensing.
Der damalige Lagerführer Alexander Piorkowski verbietet jede Form von Weihnachtsfeier in den Baracken. Manche Häftlinge essen am Abend den gesamten Inhalt ihres Weihnachtspaketes von daheim auf, es ist oft viel zuviel für den ausgehungerten Magen. Alfred Berchtold und sein Freund Hans ziehen sich in den "hintersten Winkel der Baracke" zurück. Hans habe ein Tannenzweiglein hervorgeholt und ein kleines Kerzlein dazu, heißt es in Berchtolds Erinnerungsbericht. "Der kontrollierende SS-Mann muss es übersehen haben. Und ganz heimlich zündet er das Kerzlein an. Eine stille Freude rieselt von diesem Kerzenschein in unsere Herzen. Und ganz von selbst summen ganz leise unsere Lippen das uralte, trauliche Weihnachtslied: Stille Nacht, heilige Nacht."
Alfred Berchtold überlebt die Konzentrationslager Dachau und Buchenwald. Er wird Ende April 1945 befreit und baut im oberbayerischen Kloster Reisach eine Bildungsstätte für Arbeitnehmer auf. Er stirbt Anfang 1985 in Bad Reichenhall, unweit seines Geburtsortes Bayerisch Gmain, im Alter von 80 Jahren.
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1941 - KriegsweihnachtDie Stimmung schon nicht mehr so ungetrübt. Zunehmend gibt es traurige Gesichter unterm Tannenbaum. Viele Kinder haben keinen Vater mehr. Gefallen an der Ost-Front - für Führer, Volk und Vaterland ...
Im Schatten der sieben Wachtürme, durchleben wir unseren ewig grauen Tag, abends befiehlt uns die Sirene den Schlaf, morgens verjagt sie aus unseren Augen den Traum."
František Jan KadlecDieses Gedicht des tschechischen Häftlings František Jan Kadlec wurde zu Weihnachten 1941 im KZ Dachau vorgetragen. Es entstammt seinem Gedichtband "Im Schatten der sieben Wachtürme. Gedichte aus dem KZ Dachau 1941-1945"
1942 - KriegsweihnachtFür die 200.000 eingekesselten Soldaten der 6. Armee in Stalingrad geht es nur noch um das nackte Überleben. Ab dem Weihnachtstag gab es keine Verpflegung mehr, es beginnt Kannibalismus und Massensterben. Aus dem alljährlichen Fest des Friedens und der Freude wird zunehmend ein Fest der Trauer, an der Front, aber auch daheim, wo immer mehr Menschen in den Strudel des Krieges gerissen werden. Das Wort Weihnachtsbaum bekommt in den Zeiten des Bombenkrieges für die Bewohner der großen Städte eine ganz neue Bedeutung - ein schauriger, tödlicher Lichterglanz.
1944 - KriegsweihnachtDie Versorgungssituation ist katastrophal. Die obligatorische Weihnachtsgans ist nur für wenige noch zu haben. Stattdessen Wochenschau-Tipps unter der Losung "Kampf dem Verderb". Im Osten sind Millionen Deutsche auf der Flucht. Weihnachten im Treck, irgendwo auf der Straße. Die Soldaten-Weihnachtskarten, die noch in die deutschen Wohnzimmer flattern, enthalten selten nur noch etwas von dem Fanatismus der ersten Kriegsjahre. Jetzt dominieren Sehnsucht nach zu Hause und Hoffnung auf Frieden. Die offiziellen Weihnachts-Bilder der NS-Wochenschau verändern sich in den sechs Kriegsjahren nur kaum. Immer wieder die gleichen Stereotypen: Tannenbaum, Lichterglanz, Bescherung. Harmonische Bilder einer heilen Weihnachtswelt. Glückliche Kinderaugen, bärtige Weihnachtsmänner, die emsig Päckchen verteilen, an der Kanalküste, in Afrika, an der Ostfront. Weihnachtsmänner mit Schulterstücken, zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Vom Elend des Krieges ist in den offiziellen Quellen kaum etwas zu erkennen. Die Dokumentation blickt hinter diese Bilder, sucht nach dem, was die Menschen damals tatsächlich bewegt hat. Im Mittelpunkt stehen Zeitzeugen, die sich an Weihnachten im Krieg erinnern, Menschen, die diese Zeit erlebt und überlebt haben. Eine Zeit, die für viele bis heute prägend geblieben ist. Geschichten um und unter dem Weihnachtsbaum.
Vgl. auch: MDR, "Weihnachtsbaum und Hakenkreuz", Sendung vom 19. Dezember 2004, Dokumentation von Martin HübnerWeihnachten 1944 - KZ FlossenbürgAn Weihnachten 1944 wurde Jack Terry Zeuge einer Hinrichtung von sechs russischen Häftlingen. Ein Erlebnis, das sich ihm wie den anderen anwesenden Inhaftierten in die Erinnerung eingebrannt hat:
"Im Dezember 1944 fand eine Hinrichtung statt. Alle mussten auf dem Appellplatz stehen und zuschauen. Vor dem Tor stand ein Christbaum und auf dem Appellplatz wurden Leute erhängt.Die SS-Leute gingen herum und achteten darauf, dass wir alle zusahen und dass wir nicht traurig schauten. Es war eine furchtbare Situation, aber sie war Teil unserer Existenz. Es war eine komplett andere Welt, in der wir hier waren."
Weihnachten 1944 im KZ - Die letzten ZeugenWeihnachten 1944 war mein zweites Weihnachtsfest im KZ. "Stille Nacht! Heilige Nacht! Alles schläft, einsam wacht, nur das traute, hochheilige Paar" - Unser schönes deutsches Weihnachtslied, wer sang es dieses Jahr 1944?
Wir im Konzentrationslager bekamen "Sonderzulage", d.h. zwei Tage Strafe stehen, Kostentzug, Sirenengeheul, Marschieren, Hundegebell, Fußtritte: Ja, das waren die tollsten Erfindungen hasserfüllter SS. Der Weihnachtswunsch vieler wurde erfüllt: Sterben! Ist nicht der Tod das Tor zum Leben? An diesen hohen Feiertagen wurden all die Toten, die sich am elektrisch geladenen Stacheldraht selber umgebracht hatten, mit langen Stangen vom Strom abgehängt, auf offene Karren geladen, im Krematorium verbrannt. Wir Überlebenden mussten die Menschenasche auf den Lagerstraßen flach walzen.
Der Pfarrer Dietrich Bonhoeffer schrieb im KZ-Flossenbürg am 19. Dezember 1944 sein berühmtes Gedicht "Von guten Mächten". Es sollte als Weihnachtsgruß seiner Verlobten Maria von Wedemeyer, seinen Eltern und seinen Geschwistern Mut machen, weiter für ihre Überzeugungen einzutreten.
Liebe Eltern, liebe Geschwister, liebe Maria!
Es ist wieder Weihnachten und ich kann immer noch nicht bei euch sein. Was wird das neue Jahr bringen. Mir fällt es schwer, meine Gefühle und Gedanken in einfache Worte zu fassen. Ich habe für euch ein Gedicht geschrieben:
Von guten Mächten
"Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr;
noch will das alte unsre Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwere Last. Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen das Heil, für das Du uns geschaffen hast.
Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern, des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern aus Deiner guten und geliebten Hand.
Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz, dann wollen wir des Vergangenen gedenken, und dann gehört Dir unser Leben ganz.
Laß warm und hell die Kerzen heute flammen die Du in unsre Dunkelheit gebracht, führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen! Wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.
Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so laß uns hören jenen vollen Klang der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet, all Deiner Kinder hohen Lobgesang.
Von guten Mächten wunderbar geborgenerwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiß an jedem neuen Tag."
Das Gedicht von Dietrich Bonhoeffer spricht Trost zu in einer familiären Situation, die von den Schrecken der Naziherrschaft und des Krieges geprägt ist: Die zwei Söhne Klaus und Dietrich sowie die zwei Schwiegersöhne Hans von Dohnanyi und Rüdiger Schleicher sind inhaftiert, die Tochter Sabine, Dietrichs Zwillingsschwester, war wegen ihres jüdischen Mannes Gerhard Leibholz ins Ausland gegangen, der Sohn Walter ist gefallen.