GAZA - Wer die Geschichte ausklammert, der exkludiert auch sich selbst mit seiner Meinung ... (siehe auch Ukraine)
Zusammengestellt und ergänzt von Stefan Weinert
Blogger: Um das aktuelle Geschehen in Nahen Osten - zwischen den Golanhöhen im Norden und der Wüste Sinai im Süden - inklusive der verbalen und demonstrativen Reaktionen im Ausland einigermaßen einordnen und bewerten zu können, ist die Kenntnis über die Geschichte (vergleiche den Konflikt im östlichen Streifen der Ukraine/Russland) von Gaza ungemein wichtig. Sie nicht mit einzubeziehen, ist tödlich - und das in doppeltem Sinne (siehe Russland/Ukraine)
Die Stadt Gaza war in der frühen Antike ein bedeutendes Handelszentrum an der Schnittstelle von Afrika, Asien und Europa. Die Philister hatten das Gebiet im 12. Jahrhundert v. Chr. im Zuge des sogenannten Seevölkersturms von Ägypten übernommen und bauten es zum Kern ihres Siedlungsgebietes aus.
Palästina (das Wort leitet sich von dem Neu-Ägyptischen "Peleset" = Philister ab) um das Jahr 1150 v. Chr.
Ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. wechselte in kurzer Folge die Herrschaft verschiedener Reiche aus Ägypten oder Syrien/Mesopotamien über das Gebiet und die Perser beherrschten das Gebiet ab dem späten 6. Jahrhundert v. Chr. Alexander der Große eroberte die sich ihm heftig widersetzende Stadt Gaza im Jahr 332 v. Chr. nach dreimonatiger Belagerung. Überlebende Männer, Frauen und Kinder wurden in die Sklaverei verkauft.
Alexanders Nachfolgedynastien von Ägypten und von Syrien aus beherrschten das Gebiet bis zur Eroberung durch die Römer im 1. Jahrhundert v. Chr. Diese bauten die Stadt Gaza wieder auf und verhalfen ihr zu neuer Blüte. Unter anderem verlief auch die schon in der vorrömischen Zeit wichtige und von den Römern ausgebaute antike Handelsstraße Via Maris durch Palästina.
Die Araber eroberten das Gebiet nach dem Sieg über die Byzantiner am Jarmuk im Jahr 636 nach Christus. Nachdem im 11. Jahrhundert vorübergehend christliche Kreuzfahrer das Gebiet erobert hatten, kam es im 12. Jahrhundert unter ägyptische Herrschaft. Nach der Niederlage gegen die Osmanen (später Türken) im Jahr 1517 geriet das ägyptische Mamelukkenreich unter osmanische Herrschaft.
Im Frühjahr 1917 (während des 1. Weltkrieges) wurden die Einwohner der Stadt Gaza durch die Armeeleitung der osmanischen Truppen in das Hinterland evakuiert, so zum Beispiel nach Hebron, Jaffa und Jerusalem. Ein Teil der Evakuierten wurde mit der Eisenbahn bis nach Homs und Aleppo im heutigen Syrien verbracht.
Seit März 1917 wurde um Gaza-Stadt heftig gekämpft und die Stadt bis zur Eroberung durch Truppen des britischen Empire am 7. November 1917 sowohl durch Artillerie als auch durch Bomben aus der Luft in ein Trümmerfeld verwandelt. Seit der osmanischen Niederlage im Ersten Weltkrieg gehörte das Gebiet zum britischen Völkerbundsmandat für Palästina. Die meisten jüdischen Familien wurden 1929 während antijüdischer Ausschreitungen aus dem Gazastreifen vertrieben. Das sollte hier nicht unerwähnt bleiben!
In der Zeit nach der Gründung des Staates Israel am 16. Mai 1948 bis zum Sechstagekrieg 1967 wurde der Gazastreifen von Ägypten verwaltet. Im Gegensatz zu den Palästinensern des damals von Jordanien besetzten Westjordanlandes (daher der Name dieses Gebietes), erhielten die Bewohner des Gazastreifens keine staatsbürgerlichen Rechte von Ägypten und blieben somit staatenlos. 1956 wurde der Gazastreifen im Sinaifeldzug (Suezkrise) von Israel vorübergehend militärisch besetzt (Militärgouverneur war General Matti Peled, später Professor für Arabistik in Tel Aviv und ein erbitterter Gegner der jüdischen Kolonisation der besetzten Gebiete), fiel jedoch aufgrund internationalen Drucks wieder an Ägypten.
In der Folge waren Truppen im Rahmen der UNEF-Mission im Gazastreifen stationiert, was zu einer nachhaltigen Beruhigung der Grenzkonflikte zwischen Israel und Ägypten führte. Im Zusammenhang mit der ägyptischen Mobilisierung im Vorfeld des Sechstagekriegs wurden die UNEF-Soldaten auf Anweisung General Nassers am 19. Mai 1967 abgezogen. Unmittelbar danach begannen Feuerwechsel zwischen israelischen Grenzpatrouillen und arabischen Kämpfern sowie intensive Attacken der Palästinensischen Befreiungsarmee vom Gazastreifen aus gegen israelische Zivilisten.
Im Rahmen des Sechstagekriegs 1967 wurde der Gazastreifen von Israel besetzt. Während die gleichzeitig besetzte Sinai-Halbinsel von der israelischen Armee nach den Camp-David-Gesprächen 1978 und der Unterzeichnung des Israelisch-ägyptischen Friedensvertrages 1979 stufenweise bis 1982 geräumt wurde, blieb der Gazastreifen bis 2005 besetzt.
Die israelische Regierung genehmigte den Bau jüdischer Siedlungen im Gazastreifen. 8000 jüdische Siedler lebten auf 40 % des Gazastreifens im südlichen Gazastreifen. Diese Siedlungen waren für die arabischen Bewohner des Gazastreifens nicht zugänglich und schnitten sie von Stränden und Feldern ab. Zu diesem Zweck wurde ein eigenes Straßensystem für Siedler, getrennt vom palästinensischen, errichtet. Über dieses konnten die Siedlungen einigermaßen sicher von Israel aus erreicht werden.
Im Dezember 1987 nahm die Erste Intifada (Heiliger Krieg) ihren Anfang in den Protestaktionen im Gazastreifen. Seit dem Gaza-Jericho-Abkommen (auch Kairoer Abkommen genannt) 1994, stand der Gazastreifen überwiegend unter der Selbstverwaltung der Palästinenser (Palästinensische Autonomiegebiete). Zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern kam es seit der Ausrufung der Zweiten Intifada immer wieder zu blutigen Kämpfen; der Gazastreifen bildete weiterhin eine Hochburg für den arabisch-islamischen Fundamentalismus der Hamas.
Nach langen innenpolitischen Auseinandersetzungen setzte der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon 2005 den Abzug der Israelis aus dem Gazastreifen durch – verbunden mit dem Abbau aller israelischen Siedlungen. Bei der Abstimmung in der Knesset hatten sich 60 Abgeordnete für und 47 gegen den Abzug ausgesprochen. Trotz heftiger gesellschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen im Vorfeld, leitete Israel am 15. August 2005 schließlich den Abzug aus dem Gazastreifen mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot für israelische Zivilisten ein.
Innerhalb weniger Tage wurden die Siedlungen im Gazastreifen geräumt; nach Abriss der Häuser wurden die bisherigen israelischen Siedlungsgebiete an die Palästinenser übergeben. Damit endete nach 38 Jahren die Präsenz der Israelis im Gazastreifen, während die Grenzen bis auf die zu Ägypten nach wie vor unter israelischer Kontrolle verblieben. Der Abzug wurde von den Palästinensern teils frenetisch mit Freudenschüssen und Autokorsos gefeiert. Allerdings kam es auch zu Zwischenfällen. So steckten Palästinenser in mehreren früheren israelischen Siedlungen die Synagogen der Siedler in Brand, die als einzige Gebäude unzerstört zurückgelassen wurden.
Es folgten heftige innerarabische Kampfhandlungen vereinzelter arabischer Klans und der Bewegungen Hamas und Fatah untereinander. Der Kampf um die von den Israelis freigegebenen Gebiete wurde blutig ausgetragen, viele Hundert arabische Zivilisten starben. Zugleich nahmen die Anschläge auf israelisches Territorium zu, vermehrt wurden Raketen und Anschläge registriert. Der Aufbau der arabischen Infrastruktur lahmte weiterhin.
Israels Premier Ariel Scharon hatte am 25. Dezember 2005 die Streitkräfte angewiesen, Raketenangriffe militanter Palästinenser vom Gazastreifen aus auf israelische Städte zu unterbinden. Dazu sollte eine 2,5 Kilometer breite Sperrzone im nördlichen Gazastreifen eingerichtet werden. Diese durfte von Palästinensern nicht betreten werden. Am 27. Dezember 2005 hatte die israelische Armee die palästinensischen Bewohner der „Sicherheitszone“ durch Flugblätter und Lautsprecherdurchsagen aufgefordert, diese zu verlassen.
Die Wohnhäuser der jüdischen Siedlungen im Gusch Katif waren vor dem Abzug abgerissen worden. Die Gewächshäuser dagegen hatte eine amerikanische Stiftung für insgesamt 15 Millionen Dollar gekauft, um den Palästinensern, die nach Schließung der Grenzen nicht mehr zum Arbeiten nach Israel pendeln konnten, eine ökonomische Grundlage zu verschaffen. Das Geld war durch Spenden zusammengekommen, Weltbank-Chef James Wolfensohn hatte allein eine halbe Million Dollar beigetragen. Die Gewächshäuser wurden allerdings kurz nach Abzug der israelischen Armee durch die Palästinenser geplündert und seitdem nicht wieder aufgebaut.
Im Januar 2006 gewann die Hamas bei den Parlamentswahlen der Palästinensischen Autonomiegebiete mit 76 von 132 Sitzen die absolute Mehrheit. Aufgrund anschließender internationaler Isolation, die neben einem Stopp der Finanzhilfen der USA und der EU an die Autonomiebehörde auch Einbehaltung von palästinensischen Steuereinnahmen durch Israel beinhaltete, war die Hamas jedoch gezwungen, im September 2006 in eine Regierung der Nationalen Einheit mit der verfeindeten weltlichen Fatah einzuwilligen. Die Spannungen zwischen der islamistischen Hamas und der religiös gemäßigteren, aber mit Korruptionsvorwürfen belasteten Fatah hielten jedoch an und erreichten im Juni 2007 einen neuen Höhepunkt.
Im Kampf um Gaza gelang es der Hamas, die Fatah aus dem Gazastreifen zu vertreiben. Präsident Mahmud Abbas setzte am 17. Juni 2007 eine neue Regierung ein. Dabei wurde er von den USA, der EU, aber auch von der Arabischen Liga unterstützt. Die Hamas lehnte die neue Regierung ab. Sie erhob für sich den alleinigen Machtanspruch und regiert seitdem faktisch den Gazastreifen. Die Politik der Hamas gegenüber der Zivilbevölkerung ist dabei von Willkür und Gewalt gekennzeichnet. So kritisiert Amnesty International willkürliche Verhaftungen, Folter und Erschießungen.
Am 19. September 2007 erklärte die israelische Regierung den Gazastreifen zum „feindlichen Gebiet“, um so den Druck auf die Hamas zu erhöhen, damit diese die inzwischen fast täglichen Raketenangriffe aus dem palästinensischen Autonomiegebiet unterbindet“.
Zur Ruhe zwischen Gaza und dem Staat Israel kam es in der Folge nie. Im Juli 2014 war die Ermordung dreier israelischer Jugendlicher und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jungen Auslöser für eine erneute Eskalation. Insgesamt sind nach Angaben der Hamas bis zum 1. August 2014 über 1400 Palästinenser getötet worden. Die Hamas und andere militante Organisationen feuerten seit Beginn der Operation weit über 1000 Mörsergranaten und Raketen auf das gesamte israelische Staatsgebiet, erstmals erreichten Raketen aus dem Gazastreifen damit auch den Norden Israels. Die israelische Armee bombardierte über 1300 Ziele im Gazastreifen.
Am 26. August 2014 trat eine unbefristete Waffenruhe in Kraft. Diese kam aufgrund ägyptischer Vermittlung zustande, nachdem Israel Zugeständnisse gemacht hatte. Nach UN-Angaben wurden 6761 Gebäude vollständig zerstört und mehr als 10.000 Gebäude beschädigt. Für den Wiederaufbau trat Mitte Oktober in Kairo eine Geberkonferenz zusammen. Insgesamt wurden Verpflichtungen über 5,4 Milliarden Dollar eingegangen, wovon 47,5 % für die Wiederherstellung von Wohnraum und Infrastruktur vorgesehen wurden. Von diesen Geldern war in Gaza bis April 2015 laut dem Pressesprecher der dortigen Handelskammer jedoch noch nichts angekommen. Der Wiederaufbau hat dennoch begonnen.
Allein im Jahr 2019 wurden aus dem Gazastreifen 1295 Raketen auf Israel abgefeuert. Von diesen wurden 478 vom Raketenabwehrsystem Iron Dome abgefangen. Im Mai 2021 wurden erneut über 4.000 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert. Iron Dome konnte rund 90 % davon abfangen. Auslöser für den Konflikt 2021 waren Einschränkungen der Ramadanfeiern durch israelische Sicherheitskräfte. Nach der Stürmung der Al-Aksa-Moschee durch die israelische Polizei begann am Montag, dem 10. Mai 2021 der Raketenbeschuss.
Mit ausdrücklicher Duldung Israels wurde der unter der Kontrolle der Hamas stehende Gazastreifen über Jahre hinweg von Katar finanziert. Israel erhoffte sich durch die Finanzierung eine Anhebung und Stabilisierung des Lebensstandards im Gazastreifen und damit wiederum, dass sich die Bevölkerung politisch mäßigt. Diese Hoffnungen waren spätestens im Oktober 2023 begraben.
Quelle: wiki und andere