Die Kubakrise (als Blaupause zur Kriegsverhinderung) wurde nicht zum Weltenbrand, sondern zum Beginn der Annäherung zwischen Ost und West ...
Dieser Artikel erschien hier zum ersten Mal am 22.9.2022
Von Stefan Weinert (c) mit verschiedenen Recherchen
Die Welt steht am Rande eines weiteren Weltkrieges. Ich - zehn Jahre alt - sehe meinen Vater am Kachelofen stehen und höre ihn sagen, er werde wohl als Soldat in den Krieg ziehen müssen. Zu diesem Zeitpunkt war er 45 Jahre alt. Das Radio läuft. Einen Fernseher besaßen wir erst 1969. Um mich herum die Mutter, meine beiden Brüder und die Schwester. Eine weitere Schwester wurde erst 1965 geboren - aber wohl auch nur deshalb, weil es zu keinem Atomkrieg kam, der diese Welt zerstört hätte.
Das alles ist genau 61 Jahre her. Und so wie heuer, war es damals Herbst und ich bin mir sicher, dass der Kachelofen - geheizt mit Öl - bereits in wärmenden Betrieb war. Der Liter Heizöl kostete 1962 in etwa das, was heute eine (1) Schachtel Streichhölzer kostet: 12 Cent (24 Pfennige). Fast genauso teuer (20 Pfennige) war die Fahrt mit dem Stadtbus - egal zu welcher Haltestelle.
Die Stadt in der ich lebte, sowie die beiden Nachbarstädte Flensburg im Norden und Eckernförde im Südosten waren alle Marinestützpunkte samt U-Bootstützpunkt (Eckernförde) und in Alarmbereitschaft.
Bis heute spricht die Welt von der damaligen "Kuba-Krise". Denn sie hat - im Gegensatz zu anderen Krisen (siehe 9/11) nicht zu einem Krieg geführt, sondern ganz im Gegenteil. Sie läutete, und das darf nicht unter den Tisch fallen, eine Ära der Entspannung innerhalb der Weltpolitik ein. Dennoch - diese Krise war eine so tiefe Wunde in der jüngeren Menschheitsgeschichte, deren Narbe(n) noch heute sichtbar sind und wohl für immer in das Bewusstsein der Menschen "eingebrannt" bleiben. Denn die Welt stand näher an einem Atom-Vernichtungs-Weltkrieg, als es das Ende des "Vater unser" vor dem "Amen" tut.
Man/frau mag von John F. Kennedy und seinem Bruder Robert halten was man/frau mag und will. Doch ihre Besonnenheit und vor allem ihr Weitblick haben die vermutliche Apokalypse verhindert. Es hätte allerdings nichts genützt, wenn selbiges nicht auch Nikita Chruschtschow auf Seiten der Sowjetunion hätte zugesprochen werden können.
61 Jahre später muss sich die Welt die Frage stellen, angesichts des Krieges um die Ukraine, den sich Russland und die NATO samt den USA "leisten" (mittendrin die bedeutungslose EU und das Nachkriegsdeutschland), ob die aktuellen Politiker/innen in West und Ost, Kennedy und Chruschtschow das Friedenswasser reichen können.
Und - wie damals - darf die Historie nicht unter den Teppich gekehrt werden. Der "Ukraine-Konflikt", oder "Ukraine-Krieg", oder der "Ostfeldzug der USA" - ist/sind nicht am 24. Februar 2022 einfach so kontextlos vom Himmel gefallen, sondern hat seine über 30 Jahre alte Geschichte des kontinuierlichen Vertrauensbruches des Westens gegenüber Moskau (Gorbatschow, Jelzin, Putin). Aber darauf darf ein freier Journalist ja in einer weichgespülten und geglätteten Medienlandschaft, wie der deutschen, nicht hinweisen. Schon gar nicht, wenn er es unterlässt zu sagen: "Aber natürlich ist Putin ein Kriegsverbrecher und ich heiße seinen militärischen Übergriff keinesfalls als gut."
Dass aber das eigentliche Verbrechen auf der Seite derer liegt, die das Versprechen gegenüber "Gorbi", = die NATO werde sich nicht nach Osten ausweiten, umgehend nach der deutschen Wiedervereinigung (Polen) gebrochen wurde, wird nicht nur verschwiegen, sondern als "Ausweitung des Guten in Richtung des Bösen" schöngeredet. Fuck auf das Versprechen!
Und genau das geschah vor einem Jahr (2022) in der Ravensburger Kult- und Politkneipe "Räuberhöhle". Dort hatte ein durchaus engagierter Aktivist seinen "Friedensplan für die Ukraine" in genau dieser peinlichen Oberflächlichkeit ohne den wichtigen geschichtlichen Hintergrund und Werdegang präsentiert. Das war schon fast zum Fremdschämen. Deplorabel! Für mich als Friedens-, Umwelt- und Sozialaktivist und demokratisch und geschichtlich interessiert Bürger war das nicht tragbar, was ich aber - und das auch im Interesse der zuvor eingelullten 30 Zuhörer/innen - öffentlich in der "Höhle" klarstellen musste.
Dieser vorgestellte "Friedensvertrag" war nicht nur Träumerei, sondern auch mit bester Propaganda für das aktuelle Vorgehen (vor einem Jahr und immer schlimmer werdend) unserer derzeitigen Bundesregierung, für die USA und die NATO gespickt. Dieser KRIEG hätte nie beginnen dürfen und auch nicht brauchen. Davon war aber vom Podium absolut nichts zu hören, hat aber mit einem wirklichen Friedensvertrag viel zu tun.
--------------------------------------------------
1962 - 2022 ° PARALLELEN!?
Bevor die Welt vor 61 Jahren der wo möglichen Vernichtung entkam, war die Weltpolitik schon lange angespannt. Und das nicht nur zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, sondern auch zwischen den USA und der Insel vor ihrer Haustür: Kuba. Schon 1889 hatten die Amerikaner im Spanisch-Amerikanischen Krieg den Einfluss der spanischen Krone auf Kuba gebrochen. Kuba war fortan von wichtiger wirtschaftlicher und militärischer Bedeutung für die USA. Zum Beispiel unterhielten die Amerikaner in der Bucht von Guantanamo eine Militärbasis. Mehrmals wurde sogar über eine Annexion der Insel seitens der Amerikaner nachgedacht. Schließlich kam es 1902 aber zur Gründung der Republik Kuba. Die Verfassung enthielt allerdings eine Klausel, dass die USA immer noch eine Kontrolle über die Insel ausüben dürfen, weshalb es dem Inselstaat immer an Unabhängigkeit von den Amerikanern fehlte.
Aus der resultierenden Unzufriedenheit der kubanischen Bevölkerung in den 1920er Jahren, entwickelte sich eine Krise innerhalb der Republik, die schließlich zum Sturz des regierenden General Machado führte. Unter seinem Nachfolger Batista ging es der Bevölkerung allerdings nicht besser, da seine Politik durch Vetternwirtschaft und brutale Gewalt gekennzeichnet war. Die soziale Schere zwischen Arm und Reich wurde immer größer und immer mehr wurde der Ruf nach Widerstand und Befreiung in der Bevölkerung laut. In den 50er Jahren riefen Gewerkschaften und Studentenbewegungen mehrfach zum Guerillakampf auf. Unter ihnen waren der junge Anwalt Fidel Castro, sein Bruder Raúl und der argentinische Arzt Ernesto Che Guevara.
Die USA stellten 1958 ihre Militärhilfe für Batista ein und im Januar 1959 floh dieser schließlich. Mit Castro an der Spitze und Che Guevara als Industrieminister, sowie später als Präsident der kubanischen Nationalbank, wurde das erste Agrarreformgesetz beschlossen. Aber auch das ist wahr: Che Guevara befehligte Erschießungskommandos in einer Hafenfestung nahe der Hauptstadt Havanna. Unter Castro wurde Kuba zu einer Diktatur, die gegen Widerstand genauso hart vorging wie einst unter Batista. Die USA waren nicht erfreut über die Entwicklungen auf der Insel.
Schließlich waren die Amerikaner immer die wichtigsten Handelspartner der Kubaner und mit der fortdauernden Verstaatlichung, die auch dort ansässige US- Handelsfirmen betraf, die keine Entschädigung erhielten, zerbrach das Verhältnis der beiden Staaten vollständig. Kuba musste sich deswegen einen neuen Handelspartner suchen. Die Sowjetunion schien die nächstliegende Lösung zu sein, da beide Nationen ideologisch sehr nah beieinander lagen. Zudem nahm der sowjetische Staatschef Chruschtschow 80 Prozent des kubanischen Exports an sich und verkaufte im Gegenzug Erdöl und Waffen an die kubanische Regierung. Mit der Bindung an die UdSSR geriet Kuba allerdings in einen Konflikt, der schon seit Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 andauerte.
Zusammen hatten die USA und die Sowjetunion noch gegen das nationalsozialistische Deutschland gekämpft, bevor sie in Potsdam 1945 zu einer Konferenz zusammentrafen, auf der sie maßgeblich über die Zukunft Deutschlands entschieden. Wenige Jahre später entwickelte sich zwischen ihnen dennoch ein Konflikt, der fast über ein halbes Jahrhundert die Weltpolitik bestimmen sollte. Zwei verschiedene Ideologien brachten die Welt an den Rand des Atomkriegs. Und diese weltpolitische Krise begann mit den Spannungen rund um die beiden Staatsgründungen in Deutschland. Die zunehmende Entfremdung beider Seiten, die spätestens mit der Blockade Berlins 1948/49 an Relevanz gewonnen hatte, besorgte jedoch Ost und West gleichermaßen.
Diese Krise zwischen den beiden Blöcken sollte auch einer der Gründe für das lange Ausbleiben einer Lösung der Deutschlandfrage sein. Dabei kann man keiner Seite allein vorwerfen, dass sie daran Schuld hatte, dass BRD und DDR lange Zeit nicht eins geworden sind. Wie Kuba sollten die beiden Staaten Länder sein, die oftmals als Austragungsort bestimmter Teile des Kalten Kriegs dienten.
Im damaligen Kalten Krieg spielte man nicht mit offenen militärischen Angriffen auf das Gegenüber, sondern mit Propaganda und unterschwelligen Drohungen. Diese waren letztlich trotzdem nicht harmlos, denn sie führten beiden Seiten gnadenlos vor Augen, wie leicht es für den Feind wäre, einen militärischen Schritt einzuleiten und die „friedliche Koexistenz" endgültig zu brechen.
Letztlich waren diese Ereignisse keine, die direkt etwas mit der Kuba-Krise zu tun hatten. Aber sie zeigten, dass sich die USA und die Sowjetunion schon davor äußerst feindlich gegenüberstanden. Und diese Feindseligkeit sollte sich mit der Eskalation im Oktober 1962 noch steigern.
Schon Anfang 1960 hatte die US-Regierung der CIA aufgefordert, Planungen für einen Sturz des Castro-Regimes einzuleiten. Zu dieser Zeit war der spätere Präsident der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy, noch nicht im Amt. Als er dies aber wenig später, verfolgte er die Planung der Operation Zapata selbst weiter. Bei dieser wurden Exilkubaner, die Kuba während der Revolution verlassen hatten und die dem herrschenden Regime in ihrer Heimat feindlich gegenüberstanden, militärisch für eine Invasion der Insel ausgebildet.
Am 14. April 1961 kam es schließlich zu dem Angriff in der sogenannten Schweinebucht an der Südküste Kubas. Die ausgebildeten Exilkubaner waren zwar anfangs in der Überzahl, konnten aber unmöglich mit den Milizen klarkommen, die zu großen Zahlen an die Küste kamen. Für einen erfolgreichen Angriff hätten die Amerikaner auch genug Flugzeuge des Militärs gebraucht. Diese waren allerdings in Venezuela stationiert und berücksichtigten den Zeitunterschied nicht, wodurch sie erst ankamen, als die Invasion schon lange begonnen hatte. Als sich dann das Scheitern der Mission Zapata abzeichnete, wurde den kubanischen Verbündeten jegliche Unterstützung verweigert. Die aufgestellten Schiffe blieben alle abseits und griffen nicht in das Geschehen ein. Nach 72 Stunden verkündete Castro schließlich den Sieg über die US-amerikanischen Invasoren.
Ab dem 10. Juli 1962 begann die UdSSR unter dem Decknamen Operation Anadyr auf Kuba heimlich mit der Stationierung von Militär.
Am 8. September 1962 legte das sowjetische Frachtschiff Omsk mit einer Ladung von SS-4-Mittelstreckenraketen in Havanna an, brachte die Fracht aber nicht an Land.
Mittwoch, 17. Oktober: Sechs weitere U-2-Aufklärungsflüge erfolgten über die Raketenstellungen. Die Luftaufnahmen bewiesen die Existenz von 16 bis 32 Raketen (Typ SS-4 und SS-5) mit einer Reichweite von bis zu 4500 km.
Donnerstag, 18. Oktober: Der sowjetische Außenminister Andrei Gromyko besuchte Kennedy, wie schon seit längerem geplant. Kennedy sprach die Situation auf Kuba nicht an, da er aus taktischen Gründen Geheimhaltung wahren wollte. Allerdings wurde mehrfach die alte sowjetische Forderung angesprochen, West-Berlin müsse entmilitarisiert werden. Dadurch erhärtete sich die amerikanische Annahme, die Sowjetunion wolle durch ihr Vorgehen auf Kuba die eigene Position in neuen Berlinverhandlungen verbessern. Eine Auffassung, die auch die Westalliierten teilten, die sich später aber als Fehlinterpretation erweisen sollte.
Freitag, 19. Oktober: Präsident Kennedy wollte kein Aufsehen erregen und reiste – gemäß seinem Terminplan – zum Wahlkampf nach Ohio und Illinois.
Samstag, 20. Oktober: Es gelang Robert F. Kennedy, eine Mehrheit im ExComm für die Blockadeoption zu erreichen. Er rief den Präsidenten in Chicago an, und dieser kehrte nach Washington zurück.
Sonntag, 21. Oktober: US-Berater erklärten, dass ein Luftangriff nicht alle sowjetischen Raketen auf Kuba ausschalten könne. Daraufhin genehmigte Kennedy endgültig die Seeblockade.
Montag, 22. Oktober, Am Morgen kündigten amerikanische Zeitungen eine Rede des Präsidenten von nationaler Bedeutung für 19 Uhr Washingtoner Zeit an. In seiner Fernsehansprache informierte Kennedy die Weltöffentlichkeit über die sowjetischen Raketen auf Kuba und verkündete den Beginn der Seeblockade für den 24. Oktober. Er forderte den sowjetischen Regierungschef Nikita Chruschtschow zum Abzug der Raketen aus Kuba auf und drohte für den Angriffsfall mit einem atomaren Gegenschlag. Ab diesem Zeitpunkt war die Kubakrise öffentlich.
Dienstag, 23. Oktober: Chruschtschow verkündete, die Blockade nicht zu akzeptieren, versicherte jedoch, die stationierten Raketen dienten allein der Verteidigung. Die US-Diplomatie hatte Erfolg: Die OAS stimmte für das Vorgehen gegen Kuba und bestätigte die Seeblockade. Diese wurde offiziell als Quarantäne bezeichnet, da der Begriff Blockade sich im Sprachgebrauch auf militärisches Vorgehen bezieht.
Mittwoch, 24. Oktober: Die von John F. Kennedy als Quarantäne bezeichnete Seeblockade aus amerikanischen Kriegsschiffen begann um 10 Uhr Washingtoner Zeit. Es kam zu einer ersten Zuspitzung, wenngleich die amerikanischen Schiffe nicht ohne den Befehl des Präsidenten schießen durften. Castro forderte für den Fall einer US-Invasion einen atomaren Erstschlag auf US-amerikanisches Territorium. In einem Brief antwortete Chruschtschow vier Tage später: „Sie haben uns vorgeschlagen, als erste einen nuklearen Schlag gegen das Territorium des Feindes durchzuführen. Sie wissen sicherlich, was das für uns zur Folge gehabt hätte. Dies wäre nicht ein einfacher Schlag, sondern der Beginn des nuklearen Krieges. Lieber Genosse Castro, ich halte Ihren Vorschlag für unkorrekt.“
Samstag, 27. Oktober
- Die Völkerfreundschaft, ein Urlauberschiff der DDR mit 500 Passagieren an Bord, ignorierte den Blockadering der Amerikaner und riskierte damit, von ihnen aufgebracht zu werden. John F. Kennedy verhinderte dies persönlich, das Schiff konnte somit in Havanna einlaufen.
- Ein US-Zerstörer zwang mit Übungswasserbomben das sowjetische U-Boot B-59 zum Auftauchen, es hatte einen Nukleartorpedo an Bord. Noch einmal war die ganze Welt am Rande eines Nuklearkrieges. Doch Wassili Alexandrowitsch Archipow, einer der drei Offiziere an Bord des U-Bootes, welche für den Abschuss von Nuklearwaffen verantwortlich waren, weigerte sich, den Torpedo ohne weiteren Befehl aus Moskau abzufeuern.
- Ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug verirrte sich im sowjetischen Luftraum, Kampfflugzeuge stiegen auf. Das US-Flugzeug konnte knapp entkommen.
- Ein weiterer Brief von Chruschtschow traf in den USA ein. Darin wurde der Raketenabzug nun sowohl an ein Nichtangriffsversprechen der USA als auch an den Abzug der amerikanischen Jupiter-Raketen aus der Türkei gebunden.
- Ein amerikanisches U-2-Spionageflugzeug wurde über Kuba von einer S-75-Flugabwehrrakete abgeschossen; der Pilot, Major Rudolf Anderson, wurde dabei getötet. Kennedy untersagte einen Gegenangriff ausdrücklich und erklärte sich noch einmal zu weiteren Verhandlungen bereit.
- Um 13 Uhr Ortszeit wurden in Großbritannien auf Anweisung von Premierminister Harold Macmillan die Nuklearwaffenträger des RAF Bomber Command in unmittelbare Einsatzbereitschaft versetzt: Die Besatzungen mussten sich für mehrere Stunden abflugbereit in ihren mit Nuklearwaffen bestückten Flugzeugen aufhalten. Am späteren Nachmittag wurde dies wieder auf die übliche Bereitschaft zum Abflug innerhalb von 15 Minuten nach Alarmierung zurückgestuft.
- Um 19:45 Uhr Washingtoner Zeit fand ein Geheimtreffen zwischen Robert F. Kennedy und dem Sowjetbotschafter Anatoli Dobrynin statt. John F. Kennedy ließ seinen Bruder erklären, dass er auch einem Abzug der in der Türkei stationierten amerikanischen Jupiter-Raketen zustimmen würde, wie es bereits im zweiten – schon förmlicheren – Schreiben von Chruschtschow gefordert worden war. Diese Möglichkeit hielt er vor den meisten Mitgliedern des ExComm geheim, die mehrheitlich einen Luftangriff forderten. Dobrynin gab diese Nachricht sofort nach Moskau weiter. Spätnachts entschied Nikita Chruschtschow, das Angebot Kennedys anzunehmen und die Raketen aus Kuba abzuziehen.
Sonntag, 28. Oktober
- Chruschtschow lenkte ein und erklärte sich bereit, die Raketen zu entfernen. Im Gegenzug erklärten sich die USA bereit, keine Invasion auf Kuba vorzunehmen. Außerdem – was nicht öffentlich werden durfte – erfolgte der Abbau der Raketen in der Türkei.
- Der Rückzug der sowjetischen Raketen wurde über Radio Moskau von Chruschtschow bekannt gegeben. Die Krise war damit beendet.
- Die MS Völkerfreundschaft erhielt aus Ost-Berlin die Aufforderung, Havanna sofort zu verlassen und Kurs auf den Heimathafen zu nehmen.
Die beiden Staaten vereinbarten folgende Bedingungen: Die Sowjetunion zieht ihre Raketen aus Kuba ab. Dagegen erklären die USA, keine weitere militärische Invasion Kubas zu unternehmen und in geheimer Absprache ihrerseits die amerikanischen Jupiter-Raketen aus der Türkei abzuziehen. Der Abzug aus der Türkei findet etwas später und unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, um die NATO-Partner der USA nicht zu brüskieren und die Vereinigten Staaten als Sieger der Krise darstellen zu können.
Die Untersuchung der Kubakrise durch die Politikwissenschaft konzentriert sich vorrangig auf Handlungsspielräume und -entscheidungen der Akteure. Zentral für die Lösung der Kubakrise war, dass sowohl John F. Kennedy als auch Nikita Chruschtschow sich der Tragweite ihrer Entscheidungen bewusst waren. Beide versuchten, alle Entwicklungen unter Kontrolle zu behalten, dem politischen Gegner Zeit für seine Entscheidung zu geben und nicht blind auf die Ratschläge ihrer militärischen Berater zu vertrauen.
Kennedy erklärte unmittelbar nach der Kubakrise, dass die Gefahr nicht darin gesehen wurde, dass die Sowjetunion von Kuba aus Raketen auf die USA schießen könnte, sondern dass dem Anschein nach die balance of power zugunsten der Sowjetunion aus dem Gleichgewicht geraten wäre.
Die Krise führte zu ersten Verhandlungen über eine Rüstungskontrolle. So wurde beispielsweise am 5. August 1963 in Moskau ein Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser unterzeichnet und ab 1969 auch die SALT-Abkommen verhandelt, die eine Begrenzung der Interkontinentalraketen beider Länder vorsah. Es gab fortan eine Entspannungspolitik zwischen den beiden Supermächten. So bemühten sie sich einer direkten Konfrontation aus dem Weg zu gehen und trugen ihre Auseinandersetzungen stattdessen in Stellvertreterkriegen in Vietnam und Afghanistan aus. Ihre Interessen konzentrierten sich nach der Krise auch auf die Bereiche des Globus, die noch nicht klar zwischen Ost und West verteilt waren.
Kennedy entzog den Militärs die eigenständige Verfügung über die Atomwaffen durch die Einführung eines für einen Atomschlag zwingend erforderlichen nuklearen Freischaltcodes in der Hand des US-Präsidenten, die über den sogenannten Atomkoffer übertragen werden können. Die Präsidenten tragen den Code seitdem ständig bei sich. Auch die UdSSR führte 1968 ein solches System ein.
Um friedensgefährdenden Missverständnissen und direkten Konfrontationen aus dem Weg zu gehen, wurde der Informationsaustausch zwischen den Großmächten verbessert. So wurde beispielsweise 1963 als weitere Reaktion auf die Krise der Heiße Draht eingerichtet, eine direkte Fernschreibverbindung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml, die den direkten Kontakt zwischen den Staatsmännern ermöglichen sollte. Auf diese Weise sollten in einer Krisensituation sofortige Verhandlungen möglich sein, so dass eine Eskalation abgewendet werden könne.
Die Kubakrise führte letztendlich zu einer neuen Beziehung zwischen den Supermächten, die sich in einer beiderseitigen Entspannungspolitik ausdrückte. Auch erneuerten sich die außenpolitischen Doktrinen. Die USA gingen (teilweise schon vor der Krise) zu einer militärischen Strategie der Flexible Response über und in der Sowjetunion proklamierte Chruschtschow nun die Friedliche Koexistenz.